Interview mit Ruth Meyering, verwaltungsfachliche Leiterin des Schulamts für die StädteRegion Aachen
Kommunale Bildungslandschaften leben vom Zusammenspiel vieler Akteure – und mittendrin steht die Verwaltung. Ruth Meyering ist verwaltungsfachliche Leiterin des Schulamts für die StädteRegion Aachen. Im Interview spricht sie über ihre Sicht auf kommunale Bildungsverantwortung, über Netzwerke, die tragen, über kreative Wege im Umgang mit dem Lehrkräftemangel – und darüber, warum Verwaltung längst mehr ist als nur „Verwaltung“.
Frau Meyering, was bedeutet für Sie kommunale Bildungsverantwortung – insbesondere aus Sicht des Schulamts für die StädteRegion Aachen? Wie prägt sie die Arbeit vor Ort?

Kommunale Bildungsverantwortung bedeutet für mich vor allem, die Vielzahl an Bildungsakteuren mit ihren unterschiedlichen Zuständigkeiten, Interessen und Perspektiven miteinander in den Dialog zu bringen. Bildung ist eine gemeinsame Aufgabe: angefangen beim Ministerium über die Schulträger bis hin zu den Eltern. Vor Ort tragen wir Mitverantwortung für den Bildungsweg der Kinder, die hier leben und aufwachsen. Aus Sicht des Schulamts heißt das konkret, Transparenz zu schaffen: über Zuständigkeiten, über Handlungsspielräume, aber auch über Grenzen. Nur so können wir Ressourcen gemeinsam so steuern, dass insbesondere Kinder aus weniger privilegierten Familien bessere Bildungschancen erhalten. In der täglichen Arbeit bedeutet das für mich, offen, kritisch und konstruktiv mit allen Beteiligten zusammenzuarbeiten – von den Schulen über Jugendämter bis hin zu Verbänden wie dem VBE.
Die Gestaltung von Bildungslandschaften setzt auf Vernetzung und Kooperation. Wie gelingt es Ihnen aus Verwaltungssicht, unterschiedliche Akteure dauerhaft zu koordinieren und gemeinsame Ziele zu verfolgen?

Ein entscheidender Partner für uns ist das Bildungsbüro der StädteRegion Aachen. Es organisiert unter anderem regelmäßig Bildungskonferenzen und Bildungstage und pflegt ein starkes Netzwerk, das den strukturierten Dialog ermöglicht. Wir als Schulamt sind aktiver Teil dieses Netzwerks und profitieren sehr von dieser starken Infrastruktur. Dadurch können wir eigene Projekte wirksam anstoßen und umsetzen, weil zentrale Akteure eingebunden sind. Die Verantwortung für die Koordination liegt dabei nicht allein bei uns – und genau das ist auch ein Erfolgsfaktor.
Welche Herausforderungen sehen Sie bei der kommunalen Koordination von Bildung, gerade wenn viele Akteure beteiligt sind?

Die größte Herausforderung ist aus meiner Sicht eindeutig der Faktor Zeit. Bildung ist ein dynamisches Feld – Gesetze ändern sich, Zuständigkeiten verschieben sich und die handelnden Personen wechseln häufig. Das bedeutet ständiges Nachjustieren, Abstimmen, Kalibrieren. Gerade nach der Pandemie mussten wir uns kommunikativ und strukturell neu sortieren. Heute steht uns durch steigenden Druck oft weniger Zeit für Austausch zur Verfügung – und doch ist genau dieser Dialog entscheidend. Denn nur im gemeinsamen Gespräch erkennen wir, wo die aktuellen Herausforderungen liegen – und wie wir sie gemeinsam angehen können.
Der Personalmangel im Bildungsbereich ist ein zentrales Thema. Wie begegnet die StädteRegion Aachen diesem strukturellen Problem? Gibt es vor diesem Hintergrund konkrete Maßnahmen, die Sie anbieten?

Der Lehrkräftemangel an Grundschulen beschäftigt uns nun seit sieben Jahren sehr intensiv. Unsere Aufgabe sehen wir darin, Transparenz über die personelle Lage im gesamten Schulamtsbezirk zu schaffen und unsere begrenzten Ressourcen so gerecht wie möglich zu verteilen – auch wenn das zunehmend schwierig wird. Ein konkretes Projekt ist die „Werkstatt für Lehrkräfte ohne Grundschullehramt“. Sie richtet sich an Lehrkräfte, die fachfremd eingestellt sind – oft mit befristeten Verträgen und ohne Zugang zu Fortbildungsangeboten des Landes. Mit Unterstützung eines Fördervereins bieten wir diesen Kolleginnen und Kollegen praxisnahe Workshops zu Themen wie kindliche Entwicklung, Unterrichtsgestaltung in Kernfächern und Classroom Management an. Außerdem ist es uns als StädteRegion gemeinsam mit der Stadt Aachen und der RWTH Aachen einen neuen Studiengang fürs Grundschullehramt an den Start zu bringen. Auch das zeigt: Kommunale Verantwortung kann konkret etwas bewegen – selbst auf Landesebene.
Inwiefern verändert sich die Rolle des Schulamts durch die zunehmende Verantwortung im Bildungsbereich – weg von einer klassischen Verwaltungsstelle hin zu einem aktiven Mitgestalter von Bildungsprozessen?

Diese Frage finde ich spannend – und würde sagen: Für mich war das Schulamt nie nur Verwaltung. Wir haben schon immer Gestaltungsspielräume genutzt. Vielleicht ist das auch eine Frage der Haltung – und der Kapazitäten. Tatsächlich sind die Anforderungen in den letzten Jahren stark gestiegen: mehr tariflich Beschäftigte, mehr Quereinsteigende, mehr Komplexität in der Personalverwaltung, eine hohe Heterogenität in den Klassen. Gleichzeitig steigen die Erwartungen der Eltern, was sich in zunehmenden Beschwerden und auch Gerichtsverfahren niederschlägt. Das alles führt dazu, dass wir als Verwaltung nicht mehr nur reagieren, sondern vorausschauend agieren müssen – etwa indem wir Schulen frühzeitig über rechtliche Rahmenbedingungen bei Schüleraufnahmen informieren und aktiv beraten. Verwaltung wird so zur proaktiven Unterstützungsinstanz – das ist herausfordernd, aber auch eine große Chance.
Welche Impulse würden Sie sich von der pädagogischen Praxis wünschen – etwa von Schulleitungen und Lehrkräften –, damit die kommunale Steuerung im Bildungsbereich noch wirkungsvoller werden kann?

Ich wünsche mir vor allem eines: Vertrauen in die Zusammenarbeit. Ich erlebe in der täglichen Arbeit mit Schulen, Schulleitungen und Verbänden bereits viel konstruktiven Austausch. Aber wichtig ist, dass Informationen, die bei der Schulleitung ankommen, auch in die Kollegien hineingetragen werden. Nur dann ist sichergestellt, dass Verwaltung und pädagogische Praxis auf einer gemeinsamen Informationsbasis agieren. Außerdem ist mir wichtig, dass wir nicht als „klassische Verwaltung“ oder gar als Gegner wahrgenommen werden, sondern als Partner. Auch wenn wir unterschiedliche Rollen haben, verfolgen wir ein gemeinsames Ziel: gute Bildung für alle Kinder.
Ruth Meyering ist verwaltungsfachliche Leiterin des Schulamtes für die StädteRegion Aachen. www.staedteregion-aachen.de
Starke Bildung. Starke Menschen.