Startseite > Themen > Allgemeines > Elternarbeit als zentraler Bestandteilder Schulentwicklung

Elternarbeit als zentraler Bestandteilder Schulentwicklung

Ein Interview zur Elternarbeit an Familiengrundschulzentren mit Michael John, Transfermanager „Familiengrundschulzentren“ der WÜBBEN STIFTUNG gGMBH



Herr John, warum ist es aus Ihrer Sicht so zentral, Elternarbeit gerade im Rahmen von Familienzentren oder Familiengrundschulzentren neu zu denken und gezielt niedrigschwellig anzulegen?

Herr John, warum ist es aus Ihrer Sicht so zentral, Elternarbeit gerade im Rahmen von Familienzentren oder Familiengrundschulzentren neu zu denken und gezielt niedrigschwellig anzulegen?
Elternarbeit ist an sich kein neues Thema an Schulen. Sie war schon immer präsent – etwa durch Elterngespräche, Elternabende oder Sprechstunden. Allerdings fanden diese Kontakte bislang häufig erst dann statt, wenn Schwierigkeiten auftraten. Man kommt ins Gespräch, wenn etwas nicht funktioniert. Diese Form der Elternarbeit greift aber zu kurz, vor allem an Schulen in herausfordernden Lagen. Was wir mit den Familiengrundschulzentren verfolgen, ist ein systemischer Ansatz. Die gesamte Schule begreift die Zusammenarbeit mit Eltern nicht als Zusatzaufgabe, sondern als zentralen Bestandteil der Schulentwicklung. Und zwar von Anfang an, nicht erst bei Schwierigkeiten. Besonders in sozial benachteiligten Umfeldern ist das wichtig, weil hier der Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg besonders deutlich wird. Viele Kinder starten mit weniger Chancen. Um das auszugleichen, müssen wir die Eltern als Partner gewinnen. Das geht aber nur, wenn wir Hürden abbauen und bewusst niedrigschwellige Angebote machen. Schule muss ein Ort werden, an dem Eltern sich willkommen fühlen, auch wenn sie selbst vielleicht schlechte Erfahrungen mit Schule gemacht haben. Schlechte Noten, Verhaltensauffälligkeiten, fehlende Materialien.



Was macht Ihrer Meinung nach niedrigschwellige Elternarbeit in Familienzentren oder Familiengrundschulzentren besonders wirksam – gerade mit Blick auf bildungsbenachteiligte Familien?

Was macht Ihrer Meinung nach niedrigschwellige Elternarbeit in Familienzentren oder Familiengrundschulzentren besonders wirksam – gerade mit Blick auf bildungsbenachteiligte Familien?
Das Entscheidende ist der persönliche Kontakt. Viele der Eltern, die wir erreichen wollen, haben selbst negative oder belastende Schulerfahrungen gemacht. Sie begegnen der Institution Schule oft mit Skepsis oder Angst vor Bewertung. Hier braucht es Menschen, die Brücken bauen. In den Familiengrundschulzentren gibt es dafür eine spezielle Koordinationskraft. Sie ist erreichbar, ansprechbar und oft schon am Schultor präsent. Über Gespräche im Alltag, bei Festen oder beim Abholen der Kinder wird der erste Kontakt hergestellt. Wichtig ist: Diese Kontakte finden ohne problematischen Anlass statt. Es geht um Begegnung auf Augenhöhe, ums Zuhören, um Beziehungsaufbau. Wenn diese Vertrauensbasis einmal da ist, können wir gemeinsam mit den Eltern Bedarfe erkennen und gezielt Angebote machen. Das kann von Unterstützung beim Ausfüllen von Anträgen über Sprachkurse bis hin zu Beratungen reichen. Aber der erste Schritt ist immer: Beziehungen schaffen.


Welche konkreten Formate oder Strukturen haben sich in der Praxis bewährt, um Vertrauen zwischen Schule und Elternhaus aufzubauen?

Welche konkreten Formate oder Strukturen haben sich in der Praxis bewährt, um Vertrauen zwischen Schule und Elternhaus aufzubauen?
Persönliche und niedrigschwellige Formate haben sich in der Elternarbeit besonders bewährt. Dazu zählen Gespräche beim Bringen oder Abholen der Kinder, Elterncafés, gemeinsame Feste oder offene Sprechstunden. Sehr hilfreich ist es, bekannte Personen aus der Community einzubinden, die Vertrauen genießen und andere Eltern motivieren können. Wichtig ist dabei, erste Begegnungen ohne Hürden zu ermöglichen und daraus tragfähige Beziehungen zu entwickeln – denn ohne Vertrauen ist eine nachhaltige Zusammenarbeit kaum möglich. Zudem spielt die Einbindung außerschulischer Partner eine zentrale Rolle. Die Familiengrundschulzentren schaffen keine neuen Parallelstrukturen, sondern integrieren bestehende Angebote aus dem Stadtteil, wie Erziehungsberatungsstellen, Sprachkurse oder Angebote der Verbraucherzentralen, direkt in die Schule. Viele Eltern empfinden es als große Hürde, externe Angebote eigenständig aufzusuchen. Durch die Verankerung dieser Unterstützungsangebote an der Schule sinkt die Hemmschwelle erheblich. Dabei ist es entscheidend, die Angebote an die kulturellen und sozialen Bedürfnisse der Familien anzupassen.


Viele Lehrkräfte sind stark belastet – wie lässt sich Elternarbeit im Rahmen von Familienzentren gestalten, ohne dass sie zur zusätzlichen Last im Schulalltag wird?

Viele Lehrkräfte sind stark belastet – wie lässt sich Elternarbeit im Rahmen von Familienzentren gestalten, ohne dass sie zur zusätzlichen Last im Schulalltag wird?
Das ist ein zentraler Punkt. Lehrerinnen und Lehrer sind heute ohnehin stark beansprucht – durch Unterricht, Differenzierung, Inklusion, Ganztag und oft auch noch durch Verwaltungsaufgaben. Unsere Idee ist deshalb, die Lehrkräfte durch die Familiengrundschulzentren gezielt zu entlasten. Die Koordinationskraft übernimmt hier eine Schlüsselrolle. Sie kümmert sich um die Elternkontakte und entwickelt mit dem multiprofessionellen Team passgenaue Angebote. Lehrkräfte müssen nicht mehr allein für Gespräche zuständig sein, die sich beispielsweise um soziale Hilfen oder behördliche Anträge drehen. Zusätzlich helfen klare Strukturen im Team. Wenn alle – Lehrkräfte, Schulsozialarbeit, Koordination und externe Partner – genau wissen, wer welchen Bereich abdeckt, werden Doppelstrukturen und Überforderungen vermieden. Das gemeinsame Ziel, Eltern als Partner zu gewinnen, entlastet dann letztlich alle Beteiligten.



Gibt es auch Stolpersteine oder Schwierigkeiten bei der Umsetzung?

Gibt es auch Stolpersteine oder Schwierigkeiten bei der Umsetzung?
Natürlich. Ich befürworte das Konzept der Familiengrundschulzentren sehr, doch wir sollten die bestehenden Herausforderungen nicht ausblenden. Es ist und bleibt schwierig, gerade jene Eltern zu erreichen, die am dringendsten einbezogen werden müssten. Kulturelle Unterschiede, Sprachbarrieren, fehlendes Interesse und ein oft tief verwurzeltes Misstrauen gegenüber Institutionen erschweren den Zugang. Auch aufseiten der Schulen gibt es Hürden: Fachkräftemangel, Raumnot und eine ohnehin hohe Arbeitsbelastung. Im Kollegium begegnen wir mitunter Vorbehalten, etwa der Sorge, dass zusätzliche Elternarbeit den ohnehin vollen Schulalltag weiter erschwert. Wichtig ist es daher, realistisch zu bleiben und kleine Schritte zu gehen. Es muss nicht immer der große Wurf sein. Auch erste, kleine Erfolge in der Beziehungsarbeit können langfristig viel bewegen.


Herzlichen Dank für das Gespräch!

Starke Bildung. Starke Menschen.

Mitglied
werden