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Begrüßungsrede der VBE-Landeskonferenz

Lesen Sie nachfolgend die Begrüßungsrede der diesjährigen Landeskonferenz des VBE NRW von Anne Deimel, Vorsitzende des VBE NRW.

17.11.2023

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

mit großer Freude begrüße ich euch heute hier im Silbersaal der Dortmunder Westfalenhallen zu unserer Landeskonferenz 2023 und heiße euch ganz herzlich willkommen.

Unsere aktuelle Ausgabe der ‚Schule heute‘ trägt den Titel „Bildung auf dem Prüfstand“.

Wenn der TÜV die Bildungspolitik auf den Prüfstand stellen würde, liebe Kolleginnen und Kollegen, dann würde er nicht zögern und das Bildungssystem wegen erheblicher Mängel in die nächste Reparaturwerkstatt schicken.

Wir arbeiten unter schwierigen Rahmenbedingungen.

Vor allem der akute Personalmangel greift in alle Bildungsbereiche und lähmt sie.

Die Teams in Kita und Schule geben alles, um die Systeme aufrechtzuerhalten, scheitern allerdings immer wieder an der Belastungsgrenze des Systems und an ihrer eigenen.

Hohe Krankheitszahlen spiegeln wider, dass das derzeitige Unterstützungssystem für Kitas und Schulen vorne und hinten nicht ausreicht.

Von der viel beschworenen und angestrebten Bildungs- und Chancengerechtigkeit entfernen wir uns immer weiter.

Wie soll es auch funktionieren, allen Kindern und Jugendlichen die bestmögliche Bildungslaufbahn zu gewährleisten, wenn die Heterogenität in den Lerngruppen und oftmals auch deren Größe stetig wachsen, während es an ausreichendem Personal fehlt? Wie sollen die so wichtigen Aufgaben in den Förderschulen und im Gemeinsamen Lernen erfüllt werden ohne ausreichend Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen?

Wir befinden uns in einer Zeit, in der Gewerkschaftsarbeit und das solidarische Miteinander aller Beschäftigten wichtiger sind denn je. Durch euer aller Engagement werden Kräfte freigesetzt für die Verbesserung unserer Bildungsinstitutionen und der Arbeitsbedingungen aller Kolleginnen und Kollegen. Wir alle gemeinsam werden Verbesserungen in den nun von mir aufgeführten Bereichen bewirken, langsam, aber beharrlich. Davon bin ich überzeugt.

Zu wenig qualifiziertes Personal bedeutet zu große Gruppen und Klassen. Nur Menschen, die keine Ahnung von Lernprozessen haben, können behaupten, die Größe einer Lerngruppe habe nichts mit den Lern- und Leistungsentwicklungen der Kinder und Jugendlichen zu tun. Kleinere Gruppen und Klassen, die den professionellen Einsatz von allen Berufsgruppen in den Kitas und Schulen ermöglichen! Eine wesentliche Forderung des VBE NRW. Wir bleiben da dran, liebe Kolleginnen und Kollegen!

Aktuell wird in der Politik und den Medien die Wichtigkeit der frühkindlichen Bildung betont. Diese Aufmerksamkeit hätte ich mir vor vielen Jahren schon gewünscht. Wir haben immer wieder darauf hingewiesen, aber wie so oft:

Die verantwortlichen Politikerinnen und Politiker werden erst dann wach, wenn die Hütte brennt.

Heute, in einer Zeit, in der Kitas reihenweise ihre Öffnungszeiten begrenzen müssen und sogar ganze Tage schließen, wird von den Erzieherinnen und Erziehern sowie dem gesamten Kita-Personal wiederholt eingefordert, bei allen Kindern die Vorläuferfähigkeiten und besonders die sprachlichen Kenntnisse grundzulegen. Ministerin Paul spricht in diesem Zusammenhang immer noch von dem Dreiklang aus Bildung, Erziehung und Betreuung und bemerkt offenbar nicht, dass dieser Dreiklang im Personalmangel kaum noch umzusetzen ist. Und ihr wisst es: Das, was die Kitas nicht schaffen können, soll anschließend von den Schulen geleistet werden, zuerst von den Grundschulen, danach weitergereicht an die weiterführenden Schulen. Ich sage nur: Auch hier dominiert der Personalmangel!

Fehlende Erzieherinnen und Erzieher? Da war doch was. Ach ja, ab 2026, also bereits in gut zwei Jahren, gibt es einen Rechtsanspruch auf einen Ganztagsplatz in den Grundschulen, aufsteigend ab Klasse 1. Ihr seht mich hilflos und fassungslos.

Ihr habt es bestimmt verfolgt und werdet mir sicherlich zustimmen, wenn ich sage: Es gab in der jüngeren Vergangenheit kein Thema, über das so viel geredet wurde wie über die Umsetzung des Rechtsanspruchs. Unzählige Ganztagskongresse, Sitzungen, Veröffentlichungen… Das Ergebnis für die Praxis? Fast gleich Null! Unglaublich.

Reden – 100 %.

Handeln – vielleicht 10 %.

Konkrete Wirkung in der Praxis, aktuell – 0 %.

Das Handeln, wenn man es wohlwollend denn als solches bezeichnen mag, begrenzt sich fast ausschließlich auf die Feststellung seitens der Schulträger, dass die Kosten für sie zu hoch sind.

Träume von neuen Anbauten an Schulen – weggewischt. Träume von Räumlichkeiten, die pädagogisches Arbeiten befördern – weggewischt.

Träume von Qualitätsstandards in Ganztagen im Hinblick auf Personal, Gruppengrößen und eine angemessene  Ausstattung – weggewischt.

Ansprüche auf eine angemessene Bezahlung für die Mitarbeitenden in den Ganztagen – weggewischt.

Denn hierfür ist das MSB ja gar nicht verantwortlich.

Alle Äußerungen der Verantwortlichen gehen in die Richtung „weiter so“. Und: „Wir bauen insgesamt auf sehr guten Ganztagskonzepten auf.“

Sollte irgendwer das anders erfahren und erleben und auf den Rechtsanspruch gehofft haben, er oder sie wird enttäuscht werden.

Aktuell stellen sich viele eher die Frage, ob man den Beginn des Rechtsanspruchs nicht besser nach hinten verschieben sollte. Bitter – aber leider wahr.

Die meisten Äußerungen zu Ganztagen an Schulen sind verbunden mit dem Hinweis darauf, dass man sich durch gut aufgestellte Ganztage in allen Schulformen und Schulstufen ein höherwertiges und gerechteres Lernen erhofft.

Denn es gibt ja eine Fülle an Studien, deren Ergebnisse uns regelmäßig zeigen, welche Kompetenzen unsere Schülerinnen und Schüler noch nicht erworben haben.

Die Veröffentlichungen von Studienergebnissen sind Tiefpunkte meiner Arbeit. Jahr für Jahr. Die Befunde sind bedrückend und ich würde mir, bestimmt wie jede und jeder hier im Raum, bessere Ergebnisse wünschen. Dennoch darf nicht vergessen werden, warum die Ergebnisse so sind.

Wenn man die Kitas und Schulen, inzwischen über Jahrzehnte, kaputtspart, dann sollte man erst einmal die Situation in allen unseren Bildungsinstitutionen verbessern und für attraktive Arbeitsbedingungen sorgen, bevor man schlechte Studienergebnisse nutzt, um wieder irgendeine Änderung in den Alltag von Schule und Kita zu implementieren, die einmal mehr vom Bestandspersonal umgesetzt werden muss.

Zu attraktiven Arbeitsbedingungen zählt es eben nicht, sozialpädagogische Kolleginnen und Kollegen täglich im Vertretungsunterricht einzusetzen, ihnen ihre digitalen Endgeräte abzunehmen, um sie neu eingestellten Lehrkräften geben zu können, den Mangel durch Pflichtabordnungen hin- und   herzuschieben und den Personen, die die Systeme aufrechterhalten, Wünsche nach Teilzeitarbeit nicht zu gewähren.   

Es passt auch nicht zu attraktiven Arbeitsbedingungen, die Kilometergrenze für Rückkehrerinnen und Rückkehrer auf  50 km zu erhöhen.

Wir haben uns klar positioniert!

Und wir bleiben auch da dran!

Es kann doch nicht sein, dass die Verantwortlichen dabei zuschauen, wie immer mehr Beschäftigte ihren Arbeitsplatz Schule verlassen und gleichzeitig die Ausgaben für die Bildung im neuen Haushaltsplan nicht erhöhen!

Wibke hat an der entsprechenden Anhörung teilgenommen und unsere Forderungen deutlich vertreten.

Im neuen Haushalt erwarten wir zurecht die Bereitstellung der Gelder für die notwendigen Anpassungen der Bezahlungen für alle, die bei den ersten Schritten zu A13/EG13 nicht berücksichtigt worden sind.

Das sind die Fachleitungen, alle Mitglieder der Schulleitungsteams, alle sozialpädagogischen Kolleginnen und Kollegen, alle Personen der sozialen Arbeit –

Ohne Fachleitungen keine gut ausgebildeten Lehrkräfte, ohne Schulleitungsteams keine gut funktionierenden Schulen. Multiprofessionalität ist mehr wert! Denn: Soziale Arbeit macht Schule!

Und wir erwarten und machen auch das immer wieder deutlich, dass alle Lehrkräfte in die Laufbahngruppe 2.2 gehören. Denn sonst sind wir gleich und doch nicht gleich.

Wir erwarten natürlich auch, dass Schulen von Bürokratieaufgaben entlastet werden. Doch was passiert?

In der Haushaltsplanung 2024 werden beispielsweise die notwendigen Mittel für Schulverwaltungsassistenzen gekürzt. Der VBE NRW fordert: Schulverwaltungsassistenzen gerne, doch ohne von der Schule bereitzustellende Stellenanteile.

Die Corona-Zeit hat uns einen Digitalisierungsschub ermöglicht. Aber nun hakt es.

Dienstliche Endgeräte, die auch wirklich für die Arbeit genutzt werden können, fehlen an manchen Orten. Für die Ausstattung insbesondere neuer Beschäftigter ist kein Geld vorhanden und der notwendige Support liegt in vielen Schulen immer noch in der Verantwortung der Lehrkräfte.

Für die Zukunft aufgestellt sind wir so eindeutig nicht.

Ihr alle könnt ein Lied davon singen, wie viele Beratungsgespräche sich um diesen Themenbereich drehen.

Umso wichtiger ist es, dass wir uns nicht zufrieden geben mit kleinen Verbesserungen, beispielsweise mit der Bereitstellung von Alltagshelfenden in Kita und Grundschule oder mit weniger Klassenarbeiten in den Klassen 7 und 8.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir alle wissen nicht, was die Umsetzung des Handlungskonzeptes in all seinen Facetten im Endeffekt für die Schulen und die in ihnen Tätigen bedeutet.

Ich kenne niemanden, der ausschließlich ein gutes Gefühl dabei hat.

Das, was die meisten umtreibt, sind beispielsweise die Fragen, wer in den aktuell gültigen Maßnahmen eigentlich noch den Überblick behalten kann, ob mehr Unterricht an der einen Stelle nicht wesentlich mehr Unterrichtsausfall in der Fläche nach sich zieht, wie wir wertschätzend mit Seiten- und Quereinsteigenden umgehen und sie qualifizieren können, ohne eine Entprofessionalisierung unserer Berufe zu befördern – und vor allen Dingen: Wie schaffen wir es, das Bestandspersonal zu schützen und junge Menschen für unsere Berufe zu begeistern? Denn wir brauchen jede einzelne Person, die mit Freude zu uns in die Kitas und Schulen kommt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir befinden uns in einer extrem herausfordernden Zeit voller schwerer Themen, die unseren Alltag ausfüllen und unsere Gesellschaft und damit auch uns in Gänze fordern.

An erster Stelle muss ich die absolut belastenden Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten ansprechen. Wir können es in unseren Köpfen nicht ausblenden, dass unzählige Menschen bereits gestorben sind und noch immer sterben. Ihre Lebenswege wurden und werden einfach beendet. Hinzu kommen die Tausenden von Menschen, die nicht wissen, wie sie überleben    sollen und die unter einer existenziellen Angst leben, in der Art, wie wir sie uns nicht vorstellen können.

Diese Kriege und ebenso die großen Flüchtlingsbewegungen u.a. nach Deutschland haben einen unmittelbaren Einfluss auf unsere Arbeit.

Die Konflikte der Welt befinden sich zunehmend auch auf unseren Schulhöfen und in unseren Klassenzimmern.

Kolleginnen und Kollegen leisten eine unglaublich starke Arbeit, sei es in der Prävention, der Intervention, in der Diskussion und in unzähligen Gesprächen.

Sie sind es, die täglich daran arbeiten, Vorurteile gegen andere Menschen auszuräumen, die Haltung zeigen gegen Hass und Antisemitismus und die ihre Aufgabe wahrnehmen, die Integration aller Kinder und Jugendlichen zu ermöglichen.

Wir sehen diese herausragenden Leistungen.

Wir halten dagegen, wenn wieder einmal jemand auf die Idee kommt, bei jedem Konflikt, jeder Krise die Schulen in die Verantwortung nehmen zu wollen.

Alle Beschäftigten in Schule wissen um ihre Verantwortung.

Alle Beschäftigten in Schule wissen aber auch, dass ihre Ressourcen endlich sind.

Wir fordern daher, dass es an der Zeit ist, endlich ressourcenorientiert auf die Schulen zu schauen.

Wer noch mehr von den Schulen erwartet, muss diese endlich angemessen mit personellen, räumlichen und finanziellen Ressourcen ausstatten.

Das bedeutet eben auch: Bildung muss in der Agenda endlich ganz nach oben.

Wem die Gesellschaft von heute und morgen wichtig ist, muss in Kitas und Schulen in großem Maße investieren! Ohne sie wird das nix.

Der VBE NRW ist einer der wichtigen Player in der Bildungspolitik. Hieraus entsteht unser Auftrag, in der Politik und in der

Öffentlichkeit unsere Positionen und Forderungen so oft zu vertreten wie möglich.

Hierfür haben unsere Antragsbeschlüsse der Delegiertenversammlungen und Landeskonferenzen entscheidende Bedeutung.

Denn unsere Beschlüsse bilden die Inhalte, die wir alle gemeinsam vertreten.

Das gilt in hohem Maße auch für die anstehenden Personalratswahlen, die bei uns allen bereits sehr viel Platz einnehmen. Überall erlebe ich intensive Gespräche von Funktionärinnen und Funktionären, die sich bereits in der Planung und Gestaltung ihres Personalratswahlkampfes auf allen Ebenen befinden.

Ihr macht das einfach super!

Jede und jeder Einzelne von euch macht uns stark!

Wir stehen zusammen.

Meine Zeit heute reicht leider nicht, um alles anzusprechen, was euch und uns aktuell in der Berufs- und Bildungspolitik bewegt.

Wenn ihr Punkte vermisst, verzeiht es mir und seid gewiss, Stefan und ich sowie der gesamte Landesvorstand hören euch zu, lesen eure E-Mails mit Aufmerksamkeit und setzen uns täglich für euch ein.

Bevor ich zu meinen abschließenden Worten und dem Blick auf unsere heutige Landeskonferenz komme, ist es mir wichtig, an dieser Stelle einigen Personen noch einmal meinen Dank auszusprechen und anderen Personen zu gratulieren, da es wichtige Wahlen gegeben hat.

Meinen großen Dank spreche ich Andreas Stommel und Florian Sandmann aus. Beide sind vor kurzem von ihrem Amt als Bezirksvorsitzende in Köln und Detmold zurückgetreten. Beide haben sehr viel geleistet, nicht allein durch ihre Mitarbeit im Landesvorstand. Euch beiden alles, alles Gute! Gratulieren möchte ich an dieser Stelle der neuen Doppelspitze des Bezirksverbands Köln, Sandra Zieße-Junghans und Nadine Prenger-Berninghoff und der neuen Doppelspitze im Bezirksverband Detmold, Maren Dürrfeld und Friederike Koltermann. Euch vieren viel Erfolg bei eurer neuen Aufgabe und viel Glück! Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit mit euch!

Mein großer Dank geht ebenso an Artur Thrun, der als Vorsitzender des JVBE zurückgetreten ist und Tanja Küsgens, die nicht mehr für das Amt der Vorsitzenden der Frauenvertretung kandidiert hat. Beide waren eine Bereicherung für den VBE NRW.

Wenn zwei Menschen zurücktreten, gibt es auch neue Gesichter.

Ich gratuliere Daniel Weber als neuen Vorsitzenden des JVBE und Julia Kocks als neue Vorsitzende der Frauenvertretung NRW. Euch und euren Teams herzlichen Glückwunsch!

Verabschieden mussten wir uns auch von Mathia Arent-Krüger, der langjährigen Vorsitzenden der Vertretung der Seniorinnen und Senioren im VBE NRW. Hier haben wir aktuell eine Interimslösung und sind Roswitha Lammel und Albert Hohenlöchter sehr dankbar, dass sie die Aufgabe so engagiert übernommen haben.

Nun zum Ablauf unserer Landeskonferenz.

Ihr habt es bereits bemerkt:

Wir haben nach langer Planung und intensiver Arbeit eine neue Homepage.

Das war so notwendig! Und ich freue mich, dass Alexander Spelsberg und Stefan Behlau euch dazu gleich informieren werden.

Ebenso erhalten wir die neuesten Informationen aus der aktuellen Tarifrunde. Der VBE NRW ist so nah dabei wie noch nie, da Rita Mölders die stellvertretende Bundesvorsitzende mit dem Arbeitsbereich Tarif ist. Viele von uns sind inzwischen von ihrer Begeisterung für den Tarifbereich angesteckt.

Danach bekommen wir Informationen aus unseren verschiedenen Arbeitsbereichen.

Und wir diskutieren und beschließen heute weitere VBE-Positionen, die für uns alle als Arbeitsgrundlage dienen werden.

Ich wünsche uns allen eine erfolgreiche Landeskonferenz!

Ich danke euch!

Starke Bildung. Starke Menschen.

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