Beitrag von Andreas Stommel
KAoA – Kein Abschluss ohne Anschluss. Das ist das schulische Programm zum Übergang ins Berufsleben. Am Ende des Berufslebens erlebt man dann erneut einen Abschluss. Aber gibt es dann auch einen Anschluss?
In meinem beruflichen Leben hat es einen gravierenden Zwischenübergang gegeben: Den Übergang vom „Lehrer“ zum „Personalrat“: zunächst ab 1996 mit einer Teilfreistellung in der Doppelrolle Lehrer/Personalrat und ab 2008 dann in einer Vollfreistellung als Vorsitzender eines Örtlichen Personalrates und Mitglied im Hauptpersonalrat. Das war durchaus gewöhnungsbedürftig. Ich habe sehr gerne unterrichtet, ein wenig free style – heute undenkbar. Meine Schulleiter ließen mir freie Hand: viel in der Natur, Schulgarten, viel Musik, viel Bewegung, wenig gängelnde Vorgaben. Ich hatte also keinen Grund, mich aus der Schule zu „entfernen“. Die Personalratsarbeit hat offenbar mich gefunden und nicht umgekehrt.
Die Tätigkeiten im Örtlichen Personalrat waren mir als langjähriges Mitglied bekannt und so konnte ich schnell auch als Vorsitzender Fuß fassen. Das Tolle an dieser Arbeit: Es war der direkte Kontakt mit den Kolleginnen und Kollegen. Man sah das Ergebnis der eigenen Bemühungen, wenn man beratend tätig war. Die Situationen machten einen oft betroffen und Ziel musste es sein, am Ende etwas Gutes für die Kollegin oder den Kollegen zu erreichen. In der Auseinandersetzung mit der Dienststelle ging es auch um grundsätzliche Veränderungen. Meinungen prallten aufeinander. Stimmungen zwischen Dienststelle und Personalrat waren wechselhaft. Ich erinnere mich an einen Satz aus der Dienststelle: „Der Stommel muss das Rad immer wieder neu erfinden“. Eigentlich nicht, aber Veränderungen müssen sein, sonst ist Stillstand und anschließend Unzufriedenheit.
Die Tätigkeit im Hauptpersonalrat war eine andere Hausnummer. Anfangs siezte man sich teilweise und zwischen den Fraktionen war oft „dicke Luft“. Ich habe da zuerst nur zugehört und mich „versuchsweise“ geäußert. Schließlich schickte mich der damalig Vorsitzende Hans-Gerd Scheidle als HPR-Vertreter auf eine Personalversammlung mit den Worten „das machst du schon“. Das war eine entscheidende Situation. Ich stellte mich dahin mit meinem Zettel in der Hand, legte los und stellte fest: Man hört dir zu, kölsche Tön helfen, die Kolleginnen und Kollegen sind dankbar für das, wofür wir uns im HPR einsetzen. Hans Gerd bekam offenbar eine positive Rückmeldung und so wurde ich zunehmend ins Rennen geschickt. Ich gebe zu: Nachdem ich dann ab 2014 stellvertrete der Vorsitzender im HPR war, wurden die Personalversammlungen immer mehr zu meinem ultimativen Steckenpferd.
Es ergaben sich noch weitere glückliche Wendungen in meiner Personalratstätigkeit. Die Digitalisierung hielt Einzug, auch in der Personalverwaltung. PersNRW wurde im Rahmen der Mitbestimmung verhandelt und ich wurde von meiner Fraktion zu diesen Sitzungen entsandt. Es wurden viele Verhandlungstage und ich sammelte reichlich Erfahrung darin, was man wie sagt, um etwas zu erreichen, und auch was man wie sagt, um nichts zu erreichen. Bis heute stehen mir oft die Haare zu Berge, wenn ich erlebe, mit welchem Duktus in den Gesprächen mit Dienststellen Dinge eingefordert werden, sodass eine Zusammenarbeit von vorneherein enorm belastet ist. Ich erinnere mich in dem Zusammenhang an einen Satz meines Vaters, der ob meiner jugendlichen Vorgehensweise sagte: „Du willst immer mit dem Kopf durch die Wand und erreichst nichts.“ Später musste ich feststellen, dass er recht hatte. Ich änderte meine Strategie und es lief besser.
Digitalisierung, Datenschutz, LOGINEO: In dieses Gebiet schlitterte ich irgendwie rein und kam bis zu meinem beruflichen „Abschluss“ nicht mehr davon ab. Ich hatte das Glück und vor allem die Unterstützung meiner Fraktion, mich sukzessive fit zu machen und mich Stück für Stück nach vorne zu arbeiten. Die DSGVO kam und ich ging vier Tage nach Königswinter zu einer Fortbildung. Davon zehre ich heute noch, weil ich grundsätzlich verstanden hatte, was Datenschutz bedeutet und wo er wie zum Tragen kommen muss. Dieses Wissen hat mich in allen digitalen Themen sicher gemacht. Wer etwas weiß, dem hört man zu. Das durfte ich dann in den verschiedenen digitalen AGs im MSB erfahren und die Arbeit für mich wurde dadurch immer leichter. Da fällt mir das Wort „persönliche Arbeitszufriedenheit“ ein: Ja, ich hätte da volle Punktzahl gegeben.
In meiner politischen Tätigkeit hatte ich gelernt, Mehrheiten zu finden und zu schmieden. Ich hatte Gelegenheit, dies auch innerhalb der MSB-Personalräte zu erproben. Die Vorstellungen einer Dienstvereinbarung für onlinegestützte Fortbildungen waren in den HPRGremien sehr unterschiedlich. Eine Annäherung nicht in Sicht. Ich habe dann ein Papier entwickelt und mich mit HPR-Vorsitzenden getroffen, um Möglichkeiten eines gemeinsamen Vorgehens auszuloten. Schließlich wurde ein gemeinsames Papier abgestimmt und die Gespräche mit der Dienststelle konnten aufgrund einer gemeinsamen Basis beginnen.
Ein großes Thema der letzten Jahre war und ist immer der Lehrkräftemangel. In den Gemeinschaftlichen Besprechungen mit der Ministerin oder dem Staatssekretär war dies immer auf der Tagesordnung. In einer dieser Sitzungen durfte ich im Auftrag unseres Gremiums einmal die schwierige Situation an Schulen durch fehlende Einstellungen von ausgebildeten Lehrkräften und die kompensierenden zahlreichen Ersatzeinstellungen von nicht ausgebildetem Personal schildern. Die Ministerin mochte es nicht glauben. Bis heute wird in manchen Zusammenhängen dieses Gespräch zitiert und dieser Eindruck der geschilderten schulischen Personalsituation ist präsent in den Köpfen der zuständigen Menschen im MSB (na ja, nicht immer …) Fazit: sachlicher Vortrag hilft.
Fakt ist aber auch, dass zu (m)einer persönlichen Entwicklung Menschen gehören müssen, die einem den nötigen Freiraum geben. Dazu gehörten in meiner schulischen Arbeitsphase die Schulleitungen und ab 2008 zunächst Hans-Gerd Scheidle und später dann Wibke Poth, die mir bis zuletzt viel Vertrauen und den nötigen „Aktionsraum“ gab. Dafür bin ich sehr dankbar, denn sie sorgten mit dafür, dass ich mein ganzes Berufsleben lang mit Freude am Werke war!
Diese Beispiele zeigen, in welchen Settings man im Berufsleben Kontakte zu vielen Personen hat. Sie zeigen aber auch, dass man mittendrin im Mitentscheidungsgetümmel war und eine Rolle einnahm. Man sagt so schön, man habe sich etwas aufgebaut. Daneben nicht minder erheblich: die Aufgaben im VBE und das zugehörige Netzwerk.
Nun aber die Pensionierung.
Der Abschluss.
Der Ausschluss?
Das könnte zum persönlichen Problem werden, wenn man sich damit nicht auseinandersetzt. Es gibt kein KAoA-Programm. Man hatte zu vielen Menschen täglich beruflich Kontakt. Die allermeisten dieser Kontakte werden trotz schöner Bekundungen „wir bleiben in Kontakt“ oder „wir sehen uns“ nicht mehr stattfinden oder einschlafen. Es gibt aber auch Menschen, mit denen man auch Privates ausgetauscht, man gemeinsam gefeiert oder sich zu außerberuflichen Ereignissen getroffen hat. Hier besteht Hoffnung, dass der eine oder andere Kontakt bestehen bleibt, wenn auch in geringeren Frequenzen. Insofern habe ich selbst immer schon darauf geachtet, ein privates Netzwerk aufzubauen und aktiv zu erhalten. Es gibt eine ganze Anzahl von Personen, die aus den verschiedensten Lebensphasen stammen, mit denen ich mich zumindest einmal im Jahr treffe. Das muss man aber aktiv angehen und darf nicht im „wir müssen uns mal wieder treffen“ versanden.
„Was machst du denn nach der Pensionierung?“
Meine Antwort: NIX!
Will heißen: Es ist doch eine tägliche Freude, nach so vielen Jahren endlich nicht von anderen mit Terminen fremdbestimmt zu werden. Ich bestimme meinen Tag selbst, aber ich muss auch einen Inhalt und eine Struktur haben. Da ist mir persönlich nicht bange. Und eine kleine Brücke zum VBE und den tollen Menschen dort habe ich ja noch: Datenschutz und VBE-Cloud. Ausschleichen ist eine gute Wahl.
Wir sehen uns … echt?
Andreas Stommel ist ehem. Bezirksvorsitzender des VBE-Köln, ehem. stellv. Vorsitzender des HPR Grundschule und geht mit Auslauf des Schuljahres in den Ruhestand.
Starke Bildung. Starke Menschen.