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Zur Reform des Kinderbildungsgesetzes (KiBiz)

Anmerkungen des VBE NRW

zu den

Eckpunkten für eine Reform des Kinderbildungsgesetzes (KiBiz)
Nordrhein-Westfalen

Sehr geehrte Frau Ministerin Paul, sehr geehrter Herr Staatssekretär Bahr,

vielen Dank für die Zusendung der Eckpunkte für eine Reform des Kinderbildungsgesetzes (KiBiz) NRW und den Austausch in der vergangenen Woche. Gerne nehmen wir die Möglichkeit wahr, unsere Anmerkungen noch einmal schriftlich einzureichen.

Ungeachtet des deutlichen Ausbaus der Betreuungsplätze, der engagierten Arbeit vor Ort und einer Versechsfachung der Landesmittel in den letzten 15 Jahren stehen wir vor allem angesichts des Fachkräftemangels, steigender Erwartungen an Qualität und Teilhabe, höherer Kosten durch Inflation und Tarifsteigerungen immer noch vor großen Herausforderungen. Diese führen in der Praxis zu einer Überforderung des Systems und damit zu oft mangelnder Verlässlichkeit, zu Unzufriedenheit bei Eltern, zu Überlastung der Fachkräfte und zu Unsicherheiten für Träger und Kommunen.

Dem VBE NRW ist es ein großes Anliegen, die Konsequenzen für die Kinder in den Blick zu nehmen, denn gute Bildung, Betreuung und Erziehung benötigt stabile Rahmenbedingungen, und es bedarf ausreichend Personal, das ebenfalls stabile Rahmenbedingungen erwartet.

Die folgenden Ausführungen geben einen Überblick über zentrale Chancen, Herausforderungen und Entwicklungsbedarfe aus Sicht des VBE NRW.

I. Entbürokratisierung

Zu 1. Vereinfachung der Verwendungsnachweisprüfung

Der VBE NRW begrüßt die Vereinfachung bzw. Neuordnung der Verwendungsnachweisprüfung, wenn diese dann nicht nur für die Landesjugendämter, sondern auch auf der örtlichen Jugendamts- und Trägerebene Entlastung bringt. Valide Daten zur Mittelverwendung sollten weiter geliefert werden.

Zu 2. Sonderförderungen zusammenlegen und optimieren

Die Zusammenführung der Sonderförderungen der plusKITAS und Sprach-Kitas ist ein sinnvoller Schritt. Wesentlich ist, dass die Expertise des Sprach-Kitaprogramms auf der Basis des Bundesprogramms Eingang in die Gesetzgebung findet und dass entsprechende Personalressourcen erhalten bleiben.

Eine Zusammenführung dieser Programme mit den Familienzentren sieht der VBE NRW problematisch, da wir es mit zwei unterschiedlichen Systemen zu tun haben. Die Sprach-Kitas und plusKITAS wirken im System der einzelnen Einrichtungen, die Familienzentren wirken in der einzelnen Einrichtung plus dem Sozialraum – und dies nicht nur im Bereich der alltagsintegrierten Sprachbildung, sondern weit darüber hinaus. Synergieeffekte werden schon bisher in guter Praxis vor Ort genutzt und weiterentwickelt.

Diese Weiterentwicklung der Familienzentren ist daher aus unserer Sicht separat zu sehen und muss bis dahin auch als Einzelförderung erhalten bleiben.

Die Integration des Programms der „Kita Helfenden“ in das KiBiz ist wesentlich, um das pädagogische Personal zu entlasten und zu unterstützen sowie die Gewinnung von zukünftigen Kräften voranzubringen. Ebenso müsste zukünftig die Größe der Einrichtung bei der Bemessung der Stundenanteile für Kita-Helfenden berücksichtigt werden.

Weitere Sonderförderungen, wie z.B. der Flexibilisierungszuschuss für längere Öffnungszeiten, müssen in der aktuellen Debatte um Stabilität im System erhalten bleiben und können nicht in anderen Töpfen abgebildet werden.

Zu 4. Vereinfachung der Berichts- und Dokumentationspflichten

Die Vereinfachung der Berichts- und Dokumentationsplichten ist wesentlich für die Entlastung des pädagogischen Personals.

Dabei sind die Ergebnisse aus „BeDo – NRW“ ein wichtiger erster Schritt, diese in eine nachhaltige Entwicklung zu überführen.

Der Aufwand muss aus Sicht des VBE NRW allerdings dringend reduziert werden und bedarf klarerer Vorgaben und eine digitale Unterstützung, um den Aufwand von Auswertungen zu verringern und den Fokus auf die daraus resultierende Bildungsarbeit in den Tageseinrichtungen richten zu können.

Der Datenaustausch zwischen Kita und Schule und das Übergangsmanagement sind im Sinne der Stabilität der kindlichen Bildungsbiographie dringend anzugehen.

II. Flexibilisierung

Zu 5. Flexibilisierung des Personaleinsatzes

Die Flexibilisierung des Personaleinsatzes durch die Steuerung von Kern- und Randzeiten bewertet der VBE NRW sehr kritisch.

Der flexible Einsatz von Personal im Tageseinlauf der Kindertageseinrichtungen ist insb. angesichts der vergleichsweise hohen Zahl an Teilzeitbeschäftigten längst gelebte Praxis in den Kindertageseinrichtungen und wird in den Bring- und Abholzeiten der Kitas längst umgesetzt. Eine vorgegebene Kernzeit von 5 Stunden entspricht weder den Anforderungen an den Bildungs- und Erziehungsauftrag noch den Buchungszeiten.

Kinder kennen keine Kern- und Randzeiten und haben zu jeder Zeit einen Anspruch darauf, ihre Welt im Spiel zu entdecken, zu erforschen, zu begreifen. Hierfür benötigen sie keine Betreuungszeiten, sondern die Begleitung und Unterstützung durch pädagogisches Fachpersonal.

Dabei spielen Beziehung und Bindung eine wesentliche Rolle für die Entwicklung der uns in den Kindertageseinrichtungen anvertrauten Kinder, der eine Formalisierung von Kern- und Randzeiten und auf dem Papier geplante, offene Gruppenangebote entgegenwirken. Denn hierdurch wird die Betreuung in den Mittelpunkt gestellt.

Zu 6. Bedarfsgerechte Steuerung von wöchentlichen Betreuungszeiten

Die weitere Flexibilisierung der Betreuungszeiten durch 5-Stunden-Schritte ist aus Sicht des VBE NRW nicht umsetzbar, solange die Verknüpfung der Kindpauschalen mit den Personalstunden so weitergedacht wird.

Der Fokus auf Betreuung wird die Situation in den Kindertageseinrichtungen nicht entschärfen, sondern zu weiteren personellen Fluktuationen und Abwanderungen führen. Es handelt sich eher um ein Einsparungsmodell als um ein Chancenmodell, denn Personalschlüssel werden reduziert, während dem System notwendige Ressourcen entzogen werden.

Kindertageseinrichtungen benötigen eine Sockelfinanzierung, auf die zusätzliche, klar definierte Leistungen zur Stabilisierung des Systems aufgesattelt werden sollten.

Zu 7. Flexibilisierung der Gruppengrößen

Die Gruppenüberschreitungen in die Gruppennorm zu integrieren, ist für uns kein sinnvoller Schritt.

Die Erhöhung der Gruppennorm ist aus pädagogischer Sicht kaum vertretbar und muss daher die Ausnahme bleiben. Die Maßnahme entspricht in keiner Form der in der Einleitung angesprochenen Form der Stabilisierung.

Kolleginnen und Kollegen berichten uns immer wieder von ihren täglichen An- und Herausforderungen in Bezug auf Inklusion und herausforderndes Verhalten von Kindern. Die steigenden Zahlen von herausforderndem Verhalten von Kindern, steigenden 47er Meldungen an die Landesjugendämter im Rahmen des Kinderschutzes zeigen deutlich, dass dies der falsche Weg ist.

Kolleginnen und Kollegen machen uns in den Tarifrunden und Umfragen (s. etwa die DKLK-Studie 2025) immer wieder deutlich, dass kleinere Gruppen für die Kinder und die Arbeit der Beschäftigten in den Tageseinrichtungen der wichtigste Faktor für gute Arbeit sind. Die Erzieher/in-Kind-Relation ist ein wesentlicher Baustein für gute Bildungsarbeit – die Flexibilisierung der Gruppengrößen ist an dieser Stelle kein Ansatz, um gute Bildungsarbeit voranzubringen.

Zu 8. Neue Kita-Formel

Der VBE NRW steht der Entwicklung einer neuen Kita-Formel grundsätzlich offen gegenüber.

Auf dem Weg von der gruppenformbezogenen Kindpauschale hin zur kindbezogenen Pauschale sind die Qualitätsdebatte zur Erzieher/in-Kind-Relation, die tatsächliche Ausgestaltung in Bezug auf das Aufgabenprofil der Einrichtungen, die Ausgestaltung des Fachkräfteprinzips, der Aspekt der Leitungsfreistellung, die Verfügungszeiten sowie das Finanzierungssystem in den Blick zu nehmen.

9. Innovations- und Erprobungsklausel

Diese Klausel ist ein positiver Ansatz, um gute Praxis in die Weiterentwicklung zu implementieren.

III. Verbesserung der Personalgewinnung

Zu 10. Personal- und Qualifikationsoffensive

Der VBE NRW begrüßt ausdrücklich die Ansätze zur Personal- und Qualifikationsoffensive.

Die praxisintegrierte Ausbildung (PiA) für die Kinderpflegerinnen und -pfleger sowie für die Erzieherinnen und Erzieher stärker zu unterstützen, stellt einen wesentlichen Baustein zur Personalgewinnung dar.

Wesentlich ist es aus unserer Sicht, ausreichende Mittel für eine Qualifikationsoffensive für pädagogische Fachkräfte im System bereitzustellen, da eine Qualifikationsoffensive zur Attraktivitätssteigerung des Berufs führen und der Abwanderung aus dem System entgegenwirken kann.

Auch sollte die Qualifikation von Mitarbeitenden im System für die Praxisanleitung nicht nur gefördert, sondern auch verpflichtend werden, damit die Qualität der Praxisanleitung flächendeckend und nachhaltig verbessert wird.

IV. Stabilisierung der Finanzierung

Zu 12. Finanzielle Überbrückung durch das Land

Der VBE NRW hofft, dass hierdurch der Diskussion um die tatsächlich auskömmliche Finanzierung entgegengewirkt wird.

Zu 13. Kita-Investitionsoffensive

Die Investition in die Infrastruktur der Einrichtungen begrüßen wir ausdrücklich – zu klären wird sein, für welche Aufgabenstellungen (u.a. Sanierung, Ausbau, Digitalisierung) die Mittel sinnvoll zur Verfügung stehen werden.

Zu 14. Transformationskostenfinanzierung

Der VBE NRW stellt fest, dass hierdurch der Diskussion um die tatsächlich auskömmliche Finanzierung entgegengewirkt wird.

Wichtig für den Gesamtprozess ist es uns, als VBE NRW rechtzeitig in die weiteren Diskussionen eingebunden zu werden und eine frühzeitige Information zum Zeitplan dahingehend zu erhalten, wann der Referentenentwurf vorliegen wird, um den Reformprozess weiterhin gewohnt konstruktiv-kritisch begleiten zu können.

Dortmund, 10.10.2025

Verband Bildung und Erziehung (VBE)

Landesverband NRW e. V.

Westfalendamm 247

44141 Dortmund

Starke Bildung. Starke Menschen.

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