Stellungnahme des VBE NRW zum Antrag der Fraktion der SPD (Drucksache 18/7195)
Anhörung des Ausschusses für Schule und Bildung am 23. April 2024
Stellungnahme als Download
Hier können Sie die vollständige Stellungnahme als PDF downloaden.
Sehr geehrter Herr Kuper,
für die Gelegenheit zur Stellungnahme zum oben genannten Antrag danken wir Ihnen und nehmen diese gerne wahr.
Im Antragstext wird deutlich, über welche Kompetenzen Schulleitungen verfügen müssen, damit an Schule eine gute und zukunftsfähige Bildung möglich ist.
Auch aus Sicht des VBE NRW sind Schulleitungen eine Schlüsselstelle für die Qualität der schulischen Arbeit. Sie sind Motor und Innovator für schulische Prozesse und stehen mit ihren Persönlichkeiten für die Schul- und Unterrichtsentwicklung einer Schule ein. Die Basis ihrer Arbeit beruht einerseits auf ihrer Ausbildung zu Lehrkräften, auf der Vorbereitung für das Amt durch eine qualifizierte Fortbildung und Vorbereitung und nicht zuletzt auf ihrer pädagogischen Persönlichkeit.
Aktuell melden Schulleitungen vermehrt eine zu hohe Arbeitsbelastung zurück, nicht allein für sich selbst, sondern auch für ihre Kollegien. Dies zeigt auch die forsa-Repräsentativumfrage des VBE aus dem Jahr 2023[1], in der 96 % der Schulleitungen in NRW angeben, dass sie zurzeit durch ein stetig wachsendes Aufgabenspektrum stark bis sehr stark belastet werden. 95 % nehmen eine starke Belastung durch steigende Verwaltungsarbeiten wahr, 92 % verweisen auf die Anspruchshaltung, dass die Schule alle aufkommenden gesellschaftlichen Probleme lösen soll.
Hohe Belastungsfaktoren sehen fast alle Schulleitungen (96 %) auch darin, dass Politikerinnen und Politiker den tatsächlichen Schulalltag bei ihren Entscheidungen nicht ausreichend beachten; dieselbe Anzahl der Befragten gibt an, dass ihre Kollegien überlastet sind. Als größtes Problem an ihren Schulen betrachten die Schulleitungen den Lehrkräftemangel (69 %) – das ist der höchste Wert, den es in der jährlich durchgeführten Umfrage des VBE in NRW bisher gegeben hat.
Der Lehrkräftemangel bremst die Arbeit an vielen Schulen aus und führt dazu, dass Schulleitungen und Kollegien immer öfter ihren eigenen Ansprüchen nicht gerecht werden können, da durch den Lehrkräftemangel das höchste Gut für Schule und Unterricht fehlt: Zeit. Zeit für die Schülerinnen und Schüler, Zeit für Unterrichts- und Schulentwicklung, Zeit für gemeinsame Absprachen mit allen in Schule tätigen Professionen. Daher erstaunt es nicht, dass nur noch 58 % der Schulleitungen in NRW der Überzeugung sind, ihre beruflichen Aufgaben häufig oder immer zu ihrer eigenen Zufriedenheit erfüllen zu können. Dieser Wert ist ein deutliches Alarmsignal.
Hierzu gehört im Übrigen auch die notwendige Wertschätzung der Schulleitungsarbeit. Die Umsetzung der entsprechenden Aussagen im Zukunftsvertrag ist dringend angezeigt. Die Landesregierung verspricht den Schulen darin nicht nur Ruhe, Unterstützung und Entlastung, sondern auch die Anpassung der Besoldung der Schulleitungen (S. 56). Der VBE NRW fordert, auch die Besoldung der Beförderungsstellen anzupassen. Falls an diesen beiden Stellschrauben nicht rechtzeitig gedreht wird, wird es zu einem Anstieg der ohnehin hohen Anzahl unbesetzter Stellen in Schulleitung kommen – auch durch Entpflichtungen, besonders im Bereich der Stellvertretungen. Hier werden vor allem die Schulformen Grund- und Hauptschule betroffen sein.
Zu den Forderungen im Antrag:
- Es ist richtig, die Eigenverantwortung der Schule zu stärken, jedoch muss genau geschaut werden, in welchen Bereichen mehr Eigenverantwortung die Schulen insgesamt stärkt. Eine Stärkung der Eigenverantwortung darf nicht zum Abwälzen vor allem verwaltungstechnischer Aufgaben führen; die Stärkung der Eigenverantwortung von Schulen muss in erster Linie eine Stärkung der pädagogischen Eigenverantwortung sein.
- So benötigen Schulleitungen dringend die rechtliche Möglichkeit, die Stundentafeln je nach Besetzung kürzen zu können. Das bedarf jedoch einer deutlichen Rückenstärkung durch die Schulaufsicht. Schulleitungen im Zusammenspiel mit dem Kollegium kennen die Bedarfe der Schülerschaft vor Ort und gehen verantwortungsvoll mit diesen Entscheidungen um.
- Der freiere Umgang mit den Inhalten der Curricula im Unterricht ist unumgänglich.
- Ebenso ist ein ausreichendes eigenes Schulbudget, über das die Schulleitung in Absprache mit den entsprechenden Mitwirkungsgremien entscheidet, von hoher Bedeutung.
- Die Entscheidungsmöglichkeiten der Schulen bei der Personaleinstellung sollten beibehalten werden.
- Die notwendigen Folgeänderungen der A 13-Reform müssen für das Gesamtsystem angegangen werden. Dies betrifft insbesondere die Bezahlung der Konrektorinnen und Konrektoren an Grund- und Hauptschulen. Die Forderung, Schulleitungen nicht nach der Schulform, sondern nach der Schulgröße zu bezahlen, sollte durchaus in Betracht gezogen werden. Im Übrigen bedarf es auch einer Anpassung der Bezahlung von Schulaufsichten und Fachleitungen.
- Die Leitungszeit für Schulleitungsteams ist dringend anzuheben. Gerade kleinere Systeme verfügen über weniger Schultern, auf die die Schulleitungsarbeit verteilt werden kann, insofern ist hier eine Nachsteuerung erforderlich.
- Die Tätigkeit von kommissarischen Schulleitungen bedarf einer deutlichen Aufwertung. Die Auszahlung einer ruhegehaltsfähigen Zulage ab dem 1. Monat ist überfällig.
- Die Forderungen im Hinblick auf eine umfassende qualifizierte Weiterentwicklung unterschiedlicher Fortbildungsangebote für Schulleitungen, Schulleitungsteams und diejenigen, die sich für den Beruf der Schulleitung interessieren, unterstützt der VBE NRW.
- Um Räume in Schule zu schaffen, in denen Verantwortung übernommen und Führungstätigkeiten erprobt werden können, benötigen alle Schulen neben zeitlichen Ressourcen auch eine angemessene Ausstattung mit entsprechenden Beförderungsstellen.
- Die Möglichkeit einer Teilzeit-Leitung existiert aktuell für Lehrkräfte mit einer Teilzeit aus familienpolitischen Gründen. Eine Erweiterung auf Lehrkräfte mit voraussetzungsloser Teilzeit ist sinnvoll.
- Schulen benötigen dringend mehr Stellen für Verwaltungsassistenzen und IT-Administration, die nicht auf den Stellenbedarf für Lehrkräfte einer Schule anzurechnen sind. Dies unterstützt die Kollegien allgemein und die Schulleitungen im Besonderen.
- Unerlässlich ist, dass die Schulträger die Sekretariate, aber auch das Gebäudemanagement angemessen und ausreichend besetzen. Ein unbesetztes Sekretariat an Schulen mit gebundenem oder offenem Ganztag ist mehr als anachronistisch und wirkt sich negativ auf das Schulleben aus.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die erforderlichen Verbesserungen schnellstmöglich umgesetzt werden müssen, um einerseits die im Dienst befindlichen Kolleginnen und Kollegen, die die verantwortungsvolle Funktion der (stellvertretenden) Schulleitung ausüben, zu entlasten, und um andererseits ausreichenden Nachwuchs in diesem wichtigen Feld der schulischen Arbeit generieren zu können.
Dortmund, 16.04.2024
Anne Deimel Stefan Behlau
Landesvorsitzende VBE NRW Landesvorsitzender VBE NRW
[1] forsa Gesellschaft für Sozialforschung und statistische Analysen mbH (2023). Die Schule aus Sicht der Schulleiterinnen und Schulleiter: Ergebnisse einer bundesweiten Repräsentativbefragung. Auswertung Nordrhein-Westfalen. Verfügbar unter: https://vbe-nrw.de/wp-content/uploads/2023/11/2023-11-17_VOe-Nov_Bericht_NRW.pdf [16.04.2024]
Starke Bildung. Starke Menschen.