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Nachhaltigkeit und Klimagerechtigkeit – Pflicht und Kür zugleich

Immer mehr Konsum, immer mehr Wachstum erfordern von der Erde Ressourcen, die nicht vorhanden sind. Der so genannte Earth Overshoot Day, also der Tag, an dem die nachwachsenden Ressourcen verbraucht sind, lag in Deutschland letztes Jahr am 4. Mai, weltweit am 28. Juli. Wir müssen lernen, unser Leben nachhaltig zu gestalten für nachfolgende Generationen, für uns als Menschheit insgesamt und für unseren Planeten Erde. Der VBE muss sich – genau wie alle anderen gesellschaftlichen Gruppen – dieser Herausforderung stellen. Deswegen hat der VBE NRW die Themen „Nachhaltigkeit und Klimagerechtigkeit“ in seinem Zukunftsprogramm, welches auf der Delegiertenversammlung 2022 beschlossen wurde, fest verankert.

Interview Nachhaltigkeit & Klimagerechtigkeit in der Schule heute

Darüber, warum das Thema Nachhaltigkeit ein wichtiger Bestandteil der Schul- und Bildungspolitik ist und inwiefern der Verband Vorbild und Ideengeber zugleich sein möchte hat Schule heute mit Anne Deimel, Andreas Stommel und Matthias Kürten, Beauftragte im VBE für diese Thematik, gesprochen.

Ein Interview von Schule heute mit Anne Deimel, Andreas Stommel und Matthias Kürten

Schule heute: Nachhaltigkeit ist ein Thema, das in den letzten Jahren immer stärker diskutiert wurde. Wie hat sich die Bedeutung von Nachhaltigkeit in den letzten Jahren verändert? Inwiefern hat sich unser Bewusstsein dafür verändert?

Schule heute: Nachhaltigkeit ist ein Thema, das in den letzten Jahren immer stärker diskutiert wurde. Wie hat sich die Bedeutung von Nachhaltigkeit in den letzten Jahren verändert? Inwiefern hat sich unser Bewusstsein dafür verändert?
Andreas Stommel: Die letzten heißen Sommer, die sichtbare Dürre und Trockenheit, die Pandemie und schließlich der russische Angriffskrieg in der Ukraine mit der Energiekrise haben breitere Bevölkerungsschichten für Klimaschutzthemen und nachhaltiges Leben sensibilisiert. Den Menschen wird nun zunehmend bewusst, dass es nicht reicht, auf andere zu zeigen, die etwas tun müssen, sondern dass sie selbst die Akteure zum Handeln und Ändern sind.

Sh: Was hat sich der VBE vor diesem Hintergrund zum Ziel gesetzt?

Sh: Was hat sich der VBE vor diesem Hintergrund zum Ziel gesetzt?
Matthias Kürten: Der VBE hat auf seiner Delegiertenversammlung mit überwältigender Mehrheit umfangreiche Maßnahmen beschlossen. Verbandsintern – und das halte ich für den wichtigsten Schritt – haben wir beschlossen bis 2025 „klimaneutral“ zu werden. Damit sind wir deutlich ehrgeiziger als alle anderen Gewerkschaften und Verbände, die mir bekannt sind. Darüber hinaus möchten wir als größte Bildungsgewerkschaft im dbb auch Schulen und Kitas unterstützen nachhaltiger zu arbeiten in dem wir entsprechende Hilfen anbieten und die Unterstützung durch die Politik einfordern. Zu guter Letzt wird der VBE NRW auch im Bundesverband und in unserer Dachorganisation dem dbb darauf drängen, den Nachhaltigkeitsgedanken mitzudenken.

Sh: Und wie sieht das in der Umsetzung aus? Können Sie uns Beispiele geben für konkrete Maßnahmen, die der VBE auch verbandsintern ergreift?

Sh: Und wie sieht das in der Umsetzung aus? Können Sie uns Beispiele geben für konkrete Maßnahmen, die der VBE auch verbandsintern ergreift?
Kürten: Die Liste ist sehr lang und würde vermutlich den Rahmen der Schule heute sprengen. Ganz konkret haben wir schon vor längerem die Schule heute auf eine Co2 neutrale Produktion umgestellt. Unsere Werbemittel werden noch konsequenter unter dem Nachhaltigkeitsgedanken produziert und wir werden uns die Frage stellen, ob diese überhaupt noch benötigt werden. Die Solarproduktion auf unserem Gebäude soll ausgebaut werden, Sitzungen – wenn möglich – digital stattfinden. Darüber hinaus werden wir den Nachhaltigkeitsgedanken auch durchgehend bei unseren Geschäftspartnerinnen und -partnern mitdenken: Egal ob es hierbei um einen Stromvertrag oder Druckerzeugnisse geht. Eine Zusammenarbeit ist nur noch möglich, wenn dies im Sinne der Nachhaltigkeit zu keinen Widersprüchen führt.

Sh: Wo sehen Sie die größten Herausforderungen auf diesem Weg?

Sh: Wo sehen Sie die größten Herausforderungen auf diesem Weg?
Anne Deimel: Die größten Herausforderungen liegen aus meiner Sicht einerseits darin, dass uns die Zeit wegläuft und wir jeden Tag erleben müssen, wie die Folgen der Klimakatastrophe immer größere Ausmaße annehmen und andererseits wissen wir darum, dass in vielen Kitas und Schulen die Ressourcen fehlen, um dem Bereich „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ ausreichend Zeit und Raum geben zu können. Hierbei geht es sowohl um fehlende personelle als auch finanzielle Ressourcen. Für die dauerhafte Implementierung einer nachhaltigen Entwicklung des Kita- und Schullebens ist eine verantwortliche Gruppierung in den Bildungsinstitutionen notwendig, die den Prozess begleitet, dokumentiert und gemeinsam Impulse setzt. Für eine solche arbeitsintensive Aufgabe, benötigen die Kolleginnen und Kollegen eine entsprechende angemessene Zeitressource. Die Umsetzung von ökologisch und nachhaltig gestalteten Kita- und Schulgebäuden und Außengeländen, die Nutzung von möglichst langlebigen und umweltfreundlich hergestellten Spielen, Arbeits-, Lern- und Lehrmitteln oder auch das Angebot regionaler, möglichst biozertifizierter Zutaten für das Essensangebot in Mensen erfordern beispielsweise ein ausreichendes finanzielles Budget.

Sh: Ein Schulfach Nachhaltigkeit gibt es (noch) nicht. Vorerst liegt es in der Verantwortung der Kollegien und Schulleitungen, Aspekte der Nachhaltigkeit in den Unterricht einzugliedern, Kinder und Jugendliche mitzunehmen oder das Thema in der ganzen Schule fest zu verankern. Was ist aus Ihrer Sicht notwendig, damit das Thema Nachhaltigkeit in den Schulen und Kitas sinnvoll angepackt bzw. fortgeführt werden kann?

Sh: Ein Schulfach Nachhaltigkeit gibt es (noch) nicht. Vorerst liegt es in der Verantwortung der Kollegien und Schulleitungen, Aspekte der Nachhaltigkeit in den Unterricht einzugliedern, Kinder und Jugendliche mitzunehmen oder das Thema in der ganzen Schule fest zu verankern. Was ist aus Ihrer Sicht notwendig, damit das Thema Nachhaltigkeit in den Schulen und Kitas sinnvoll angepackt bzw. fortgeführt werden kann?
Stommel: Es reicht für einen echten Erfolg nicht aus, das Thema „nur“ in den Unterricht oder in der Kita stärker einzubauen. Die Kinder lernen beispielsweise in der Schule etwas zur umweltbewussten Mobilität, steigen aber dann gemeinsam mit den Eltern in den Flieger, um alles so weiterzumachen wie bisher. Ja, sie können sich sicher mit zunehmendem Alter einmischen und ihr Leben anders führen, aber es sind die Eltern und damit die Gesamtgesellschaft, die mit ins Boot geholt werden muss. Für die Schule bedeutet dies, Nachhaltigkeit sichtbar ins Schulgebäude, in Verhaltensweisen, in OGS und Mensabetrieb sprich Schulleben zu holen. Nachhaltigkeit muss in allen Bereichen „Normalität“ werden, nicht „Projekt“. Denn nach dem „Projekt“ verfallen die meisten wieder in ihre alten Verhaltensmuster.

Sh: Welche Änderungen und Unterstützungsmaßnahmen wünschen Sie sich von Seiten der Politik, um mehr Nachhaltigkeit in den Schulen und Kitas zu fördern?

Sh: Welche Änderungen und Unterstützungsmaßnahmen wünschen Sie sich von Seiten der Politik, um mehr Nachhaltigkeit in den Schulen und Kitas zu fördern?
Deimel: Ich erwarte von den verantwortlichen Politikerinnen und Politikern, dass sie anerkennen, dass eine Bildung für nachhaltige Entwicklung ein elementar wichtiger Teil des Bildungsauftrages von Kitas und Schulen ist. Daher müssen Kitas und Schulen jede mögliche Unterstützung erhalten, sich mit den 17 Zielen für Nachhaltige Entwicklung der Agenda 2030 auseinanderzusetzen. Notwendig sind beispielsweise energetische Gebäudesanierungen, neue Gestaltungen der Außen- und Pausengelände und auch die Erarbeitung und Umsetzung von Qualitätsstandards beim Essensangebot. Kinder und Jugendlichen sollte die Möglichkeit gegeben werden, sich in und mit ihrer Kita und Schule in partizipativen Projekten einzubringen, aktiv Umwelt- und Klimaschutz zu gestalten, um so auch ihre Selbstwirksamkeit erfahren zu können.

Sh: Und nun noch eine letzte Frage an Sie alle: Was bedeutet der Begriff Nachhaltigkeit für Sie ganz persönlich? Wie integrieren Sie Nachhaltigkeit in Ihr Leben? Welchen Beitrag können wir alle leisten?

Deimel: Ich achte darauf, mein Leben nachhaltig(er) zu gestalten, indem ich beispielsweise Kleidung kaufe, die ich wirklich benötige, die ich lange tragen kann und die mit einem möglichst großen Recyclinganteil hergestellt wurde. Ich verbrauche möglichst wenig Wasser, spare Energie, verwende Bioprodukte, esse wenig Fleisch, nutze recycelte Büromaterialien, einen wiederverwertbaren Kaffeebecher für unterwegs und überlege generell bei Konsumgütern, ob ich sie wirklich brauche. Müll trenne ich konsequent und Arbeitspapiere drucke ich immer seltener aus. Bei Sitzungen überlege ich, ob sie digital durchgeführt werden können. Nur wenn das persönliche Gespräch wichtig ist, lade ich zu einer Präsenzveranstaltung ein. Insgesamt übe ich mich darin, mein tägliches Leben in Bezug auf Nachhaltigkeit regelmäßig zu überdenken und wenn erforderlich, die entsprechenden Lebensabläufe und Lebensinhalte zu ändern.

Kürten: Das Thema beschäftigt mich schon seit der Grundschulzeit. Damals hat mein Vater uns Kindern einen Film gezeigt, wo uns die Auswirkungen der Klimakrise aufgezeigt wurden. Die damaligen Prognosen (Hitzewillen, Flutkatastrophe) sind erschreckenderweise alle so ähnlich eingetreten. 1998 bin ich in den WWF eingetreten, weil mich das Artensterben sehr betroffen gemacht hat. Persönlich, haben wir unser Haus vor einigen Jahren mit Stromspeicher und Solarzellen ausgestattet, so dass wir nun über 80% des Strombedarfes vom Dach bekommen und sogar in den Sommermonaten überschüssigen Strom einspeisen können. Ich nutze wann immer es geht den ÖPNV und bin vor einigen Jahren von einem komfortabel ausgestatten BMW-Kombi auf einen kleinen Seat-MII (Elektro) umgestiegen. Darüber hinaus rechne ich seit 2019 am Ende des Jahres die Co2 Emissionen meiner Familie aus und gleiche diese über entsprechende Organisationen aus. Ich möchte meinen Kindern in einigen Jahren zumindest sagen können, dass ich persönlich alles getan habe um diese Katastrophe zu verhindern. Sicher kann jeder Einzelne etwas tun, klar ist aber auch: Jedem Einzelnen sind Grenzen gesetzt, daher ist es darüber hinaus wichtig sich politisch zu engagieren, damit Rahmenbedingungen geschaffen werden, die es Deutschland ermöglichen seine Verpflichtungen zur Bewältigung und Bekämpfung der Klimakrise einzuhalten.

Stommel: Es bedeutet für mich, alle meine Handlungen grundsätzlich im Hinterkopf unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit und des Umweltschutzes abzugleichen. Nach dem Abgleich kommt man dann zu einer Entscheidung. Einfaches Beispiel: Nehme ich die Bahn oder das Auto? Dazu muss ich einiges einpreisen, um in der Abwägung aller Umstände zu einer Entscheidung zu kommen. Eins muss dabei aber klar sein: Nachhaltiges Handeln bedeutet auch Umstellung und Verabschiedung lieb gewonnener Bequemlichkeiten. Ich wünsche mir, dass alle hier nach ihren Möglichkeiten kleine oder große Schritte wagen.

Das VBE-Zukunftsprogramm

Lesen Sie unseren Beschluss zur Nachhaltigkeit und Klimagerechtigkeit im VBE-Zukunftsprogramm.

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