Startseite > Presse > Pressemitteilungen > 2024 > VBE: Es gibt zu viele Verliererinnen und Verlierer

VBE: Es gibt zu viele Verliererinnen und Verlierer

Gutachten zum Wissenschaftlichen Prüfauftrag zur steigenden Anzahl der Schülerinnen und Schüler mit Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung

Das vorgelegte Gutachten zum Wissenschaftlichen Prüfauftrag zur steigenden Anzahl der Schülerinnen und Schüler mit Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung führt viele Fakten zusammen, die aufrütteln. So ist beispielsweise die Anzahl der Schülerinnen und Schüler mit festgestelltem sonderpädagogischen Förderbedarf seit 2011 in 10 Jahren um 27.500 angestiegen. Das ist ein Zuwachs von 4,7 % auf 6,4 %. Auch die durchschnittliche Gesamtdauer der Feststellungsverfahren in den verschiedenen Bezirksregierungen divergiert von 138 Tagen im Regierungsbezirk Detmold bis zu 222 Tagen im Regierungsbezirk Arnsberg. Auch innerhalb der Bezirke werden die Unterschiede in den Verfahrensdauern deutlich: Das kürzeste Gutachten beanspruchte etwa in Köln 30 Tage, während das längste 224 Tage in Anspruch nahm.

Besonders erschreckt die Erkenntnis, dass es kein landesweit einheitliches Verfahren zur Feststellung eines sonderpädagogischen Unterstützungsbedarfes gibt. Jedes Schulamt hat seine eigenen Verfahren und die entsprechenden Formulare entwickelt. Alle im Gutachten aufgeführten Fakten führen zu dem klaren Ergebnis des Gutachterteams, dass eine komplette Neuausrichtung des Feststellungsverfahrens erforderlich ist.

„Es ist dringend notwendig, die ersten Handlungsempfehlungen des Gutachterteams schnell anzugehen und umzusetzen. Dazu gehören z. B. die landesweite Vereinheitlichung der Feststellungsverfahren und der notwendigen Formalitäten in digitaler, datenschutzsicherer Verfahrensweise. Außerdem ist die Landesregierung gefordert, regionale Expertisestellen als zentrale Steuerungs-, Handlungs- und Entscheidungsebene einzurichten, durch die gewährleistet werden, dass Lehrkräfte und Erziehungsberechtigte unkompliziert notwendige Beratungen erhalten können. Allein diese beiden Unterstützungsmaßnahmen würden voraussichtlich eine dringend notwendige Entlastung aller Beteiligten zur Folge haben.“

Anne Deimel, Landesvorsitzende VBE NRW

Anne Deimel weiter: „Jede Seite dieses Gutachtens zeigt auf, dass alle Beteiligten – die Schulen, die Eltern und die Schülerinnen und Schüler – über viel zu viele Jahre allein gelassen wurden. Keiner der zuständigen Landesregierungen ist es gelungen, eine tragende Strategie zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention aufzustellen.“

Mit Blick auf die personelle und materielle Ausstattung stellt Deimel fest: „Alle Beteiligten wünschen sich beispielsweise mehr Zeit für Prävention, in der Kinder und Jugendliche durch gezielte individuelle Förderung in ihren Lern- und Leistungsentwicklungen unterstützt werden können. Hierfür fehlen in den allgemeinen Schulen aber schlichtweg die notwendigen Ressourcen. Einzelne Lehrkräfte arbeiten alleine in zu großen Klassen, es fehlen zur Unterstützung insbesondere Lehrkräfte mit sonderpädagogischer Expertise. Hinzu kommen fehlende Räumlichkeiten und in den Schulen fehlendende evidenzbasierte Materialien für die notwendige Diagnostik und Förderung. Es kann nur eine Schlussfolgerung gezogen werden: Die politisch Verantwortlichen wollten das inklusive Lernen, ohne den Schulen die nötigen Unterstützungsmaßnahmen und Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Jetzt sind wir an einem Punkt, an dem es zu viele Verliererinnen und Verlierer gibt: An erster Stelle die Schülerinnen und Schüler, die nicht rechtzeitig ausreichend gefördert werden können, da hierfür die Personen fehlen.“

Und sie führt aus: „Es bleibt jetzt zu hoffen, dass die Landesregierung die Handlungsempfehlungen des Gutachterteams zügig ernsthaft prüft und die Diskussions- und Entscheidungsprozesse sofort auf den Weg bringt. NRW braucht mittelfristig ein Schulsystem mit ausreichend gut qualifizierten Beschäftigten, das ausreichend Zeit und Ressourcen für alle Kinder hat.“

Starke Bildung. Starke Menschen.

Mitglied
werden