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Drei bewährte Ansätze aus der Praxis

Von Joscha Falck

Seit ChatGPT im November 2022 veröffentlicht wurde, erleben wir eine exponentiell ansteigende Innovationsdynamik, deren Tempo nur schwer mitzugehen ist. Niemand kann derzeit exakt sagen, wo wir uns auf dieser Kurve befinden. Feststellen können wir jedoch, dass sich generative KI-Systeme in beeindruckender Geschwindigkeit verbessern, ebenso wie die am Markt verfügbare Zahl an KI-Tools für den Bildungsbereich ständig steigt. Es dürfte klar sein, dass künstliche Intelligenz kein vorübergehender Hype ist.

Meine Perspektive als Lehrer, Schulentwickler und Fortbildner lässt sich als kritischer, aber potenzialsuchender Pragmatismus beschreiben. Damit blicke ich zuallererst auf eine Vielzahl an neuen Möglichkeiten, wie Lehrkräfte und Schüler:innen generative KI für sich nutzen können. Diese speisen sich aus der Idee, hyperpotente, dialogische Tutorsysteme pädagogisch und didaktisch aufzuschließen, um mit neuen Möglichkeiten lernförderlich zu unterrichten und besser zu lernen. Im Folgenden will ich an drei exemplarischen Bereichen aufzeigen, welche Ansätze sich mit KI schon heute bewährt haben und worauf wir achten müssen, um diese zielführend und reflektiert in den Unterricht zu bringen.

Individualisiertes Üben
Zunächst möchte ich am Beispiel des individuellen Übens mit KI-Unterstützung zeigen, wie gezielte Förderung und Lehrkräfteentlastung zusammengedacht werden können. Bettermarks, eine adaptive Lernplattform für den Mathematikunterricht, arbeitet zum Beispiel mit einer automatisierten Fehlermuster-Erkennung und gibt personalisiertes Feedback zu Matheaufgaben. Lernende können so selbstständig üben, ohne auf Korrektur und Feedback verzichten zu müssen. KlettStudyly, eine Kooperation zwischen dem Ernst Klett Verlag und dem österreichischen Start-up Studyly, bietet darüber hinaus personalisierte Übungsaufgaben, die Schüler:innen differenziert und zum Lernstand passend zugewiesen werden. Und für sprachliche Fächer (aber auch für Mathematik) hat Microsoft Teams mit den sogenannten Lernbeschleunigern Tools im Angebot, mit deren Hilfe Lernende KI-unterstützt Lesen, Recherchieren, Rechnen und Vortragen üben können (u. a. durch Speech-to-Text-Technologie). Bei allen Plattformen können Lehrkräfte den Lernfortschritt ihrer Klassen einsehen. Mit Blick auf die Vorbereitungsroutine muss so weniger Material selbst erstellt werden. Stattdessen wird ein passender Bereich im digitalen Lernsystem ausgewählt, angepasst und zugewiesen, damit im Unterricht mehr Zeit für Beratung und individuelle Unterstützung zur Verfügung steht.

Lernförderliches Feedback
Der zweite Bereich fokussiert spezialisierte KI-Feedback-Tools, die jenseits der genannten Programme individuelle Lernbegleitung versprechen. Generative KI trägt hier dazu bei, Lernende beim Überarbeiten von Aufgaben – teilweise in einem mehrstufigen Prozess – zu unterstützen. Diese Art des formativen Feedbacks lässt sich beispielsweise mit PEER der TU München oder mit dem Tool FelloFish (früher Fiete.ai) umsetzen. Während PEER in erster Linie als Aufsatztutor für Lernende konzipiert wurde, bietet FelloFish zahlreiche didaktische Möglichkeiten für Lehrkräfte. So können Aufgaben gezielt angelegt und um Materialien ergänzt werden. Hinzu kommen Feedback-Kriterien, die Lehrkräfte passend zur eigenen Lerngruppe definieren können und auf deren Basis das KI-Feedback gegeben wird (bei Bedarf auch in verschiedenen Sprachen, vereinfacht und/oder vorgelesen). Damit ist FelloFish anschlussfähig für verschiedene Fächer und didaktische Settings, zum Beispiel als Unterstützungssystem bei Hausaufgaben, zum Üben im Unterricht oder für die Prüfungsvorbereitung.
Hervorzuheben ist, dass Lernende auf der Basis des ersten Feedbacks zur Überarbeitung aufgefordert werden. Anschließend gibt es ein zweites Feedback, das sich auf den Lernfortschritt zwischen Abgabe eins und zwei fokussiert. Lehrkräfte können zudem einsehen, was Lernende einreichen und welches Feedback sie erhalten.

Sprachmodelle als Tutorsysteme
Anspruchsvoller als die bisher angesprochenen Ansätze, aber zugleich auch vielseitiger ist der direkte Einsatz von LLM-Chatbots im Unterricht. Durch gezieltes Prompting lassen sie sich ebenfalls als adaptiver Lernbegleiter oder als Feedback-Werkzeug nutzen. Darüber hinaus kann das KI-System in zahlreiche (didaktisch) „nützliche“ Rollen versetzt werden und Lernende bspw. bei einer Projektarbeit beraten, einen Dialog mit einer historischen Figur ermöglichen, als sokratischer Gesprächspartner beim Argumentieren helfen, Vokabeln abfragen oder Tipps für Lernstrategien vor einer Prüfung geben. Die entsprechenden Tutorprompts können einfach strukturiert oder sehr komplex aufgebaut sein, vorbereitet oder auch mit den Lerngruppen im Unterricht erstellt werden. Von Rollen- und Simulationsspielen bis zum Schreibpartner sind der Fantasie hier kaum Grenzen gesetzt. Gleichwohl verlangt diese „offenere“ Art der KI-Nutzung eine höhere Eigenverantwortung der Lernenden. Je nach Aufgabenstellung und didaktischer Einbettung sind die Steuerungsmöglichkeiten für Lehrkräfte geringer, sodass die Anforderungen an kritische Reflexion sowie ein inhaltliches Prüfen der KI-generierten Antworten (noch) weiter steigen. Eine Ausnahme bilden speziell konfigurierte Chatbots (sog. CustomLLMs), die sehr gezielt eingesetzt werden können und bei Lernenden weniger Vorkenntnisse im Bereich des Prompting erfordern. LLM-Chatbots können datenschutzkonform u. a. über die KI-Plattformen fobizz oder SchulKI bereitgestellt werden.

Die Möglichkeiten sind das eine…
Trotz der zahlreichen Möglichkeiten ist naive Euphorie fehl am Platz. Aktuelle Meta-Studien (Arvaneh et al. 2024, Deng et al. 2025, Wang & Fan 2025) weisen zwar darauf hin, dass KI-Tutorsysteme signifikante lernförderliche Effekte aufweisen. Gleichzeitig wird deutlich, dass diese Wirksamkeit vom jeweiligen KI-Modell, den Prompts, eigenen Strategien des Lernens, dem Fachbereich und insbesondere von der didaktischen Einbettung, also auch der Lehrkraft, abhängt. Werden KI-Systeme ohne entsprechende Anleitung und/oder unkritisch eingesetzt (z. B. ohne weitere Prüfung der Inhalte) besteht die Gefahr des Deskillings, also des Kompetenzabbaus. Hier zeigt sich, dass Abhängigkeitseffekte und die Verlockungen des bequemen Abkürzens (AI-Convenience und Skill Skipping) neue Herausforderungen darstellen, auf die mit angepassten KI-resilienten Aufgabenstellungen sowie mit entsprechenden Regeln für KI-integrierende Formate reagiert werden muss (auch mit Blick auf angepasste Prüfungsformate). Damit all das gelingt, braucht es Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen für den konkreten Einsatz von KI im Unterricht, aber auch zum Aufbau einer (grundlegenden) KI-Kompetenz, z. B. mit Blick auf die Funktionsweise von KI oder den kritischen Umgang mit KI-Output. Die verschiedenen Ebenen (Verstehen, Anwenden, Reflektieren und Mitgestalten, vgl. Alles/Falck/Flick/Schulz 2025) gelten für Lehrende und Lernende und müssen deshalb auch Eingang in den Unterricht finden.

An der Auseinandersetzung mit KI kommen wir nicht vorbei
Zweifelsohne braucht es auch zukünftig Lernphasen ganz ohne KI, z. B. beim Aufbau von Basiskompetenzen. Dennoch kann künstliche Intelligenz schon heute mit verschiedenen Anwendungen und Szenarien lernförderlich, sinnvoll und kreativ eingesetzt werden. Dazu braucht es Offenheit, geeignete Tools, Fortbildungen, Räume zum Ausprobieren und eine Menge Good Practice, die zum Nachmachen einlädt. Eine kritische Haltung gegenüber wahrscheinlichkeitsbasierten Sprachmodellen ist dabei grundsätzlich sinnvoll, pauschale Ablehnung aber wenig hilfreich – nicht zuletzt auch angesichts der sich durch KI ebenso rasant ändernden Lebenswelt unserer Schülerinnen und Schüler. Mein Appell lautet, dass sich Lehrkräfte und Schulen – trotz Unsicherheiten – kritisch, aber konstruktiv mit dieser Technologie auseinandersetzen müssen, um die Potenziale zu nutzen und den Problemen und Gefahren mit einer umfassenden Medienbildung aktiv entgegenzutreten.



Joscha Falck ist Lehrer und Schulentwicklungsmoderator in Mittelfranken. Darüber hinaus ist er Redaktionsmitglied bei IQESonline und als Fortbildner, Referent, Blogger und Autor tätig. Kontakt: www.joschafalck.de.


Quellen:
Alles, S., Falck, J., Flick, M., & Schulz, R. (2025). KI-Kompetenzen für Lehrende und Lernende. Aus der Praxis für die Praxis – eine adaptierbare Basis. VK:KIWA. https://doi.org/10.5281/zenodo.15047793 [zuletzt aufgerufen am 8.5.2025]

Arvaneh, B., Farrell, M., & CHU Research Group (2024). Chatbots im Unterricht: Welche Lernergebnisse werden unterstützt? www.clearinghouse-unterricht.de, Kurzreview 34. URL: https://www.clearinghouse.edu.tum.de/lehrstrategien/chatbots-im-unterrichtwelche-lernergebnisse-werden-unterstuetzt/ [zuletzt aufgerufen am 5.1.2025]

Deng, R. et al. (2025). Does ChatGPT enhance student learning? A systematic review and meta-analysis of experimental studies. URL: https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0360131524002380?ref=pdf_download&fr=RR-2&rr=93c6ac07cc673a91
[zuletzt aufgerufen am 8.5.2025]

Wang, J. & Fan, W. (2025). The effect of ChatGPT on students’ learning performance, learning pereption, and higher-order thinking: insights from a meta-analysis. URL: htps://www.nature.com/articles/s41599-025-04787-y?utm_source=chatgpt.com [zuletzt aufgerufen am 8.5.2025]



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