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Der anspruchsvolle Alltag von Beratungslehrerinnen

Eine Reportage von Melanie Kieslinger

Eine Anlaufstelle für die Sorgen und Nöte der Schülerinnen und Schüler – das ist das kleine, aber sehr gemütlich gestaltete Beratungszimmer von Lisa Michalsky und Anna Weber, Beratungslehrerinnen am Adalbert-Stifter-Gymnasium in Castrop-Rauxel. Die Wände wurden erst vor kurzem in Eigenarbeit gestrichen, verschiedene Dekoelemente vermitteln eine behagliche Atmosphäre und visuelle Hinweise zu Anlaufstellen für weiterführende Hilfe zeigen auf, welche Themen hier auf den Tisch kommen. „Hier fangen wir die Kinder und Jugendlichen auf, müssen teilweise aber auch Wut, Hass, Aggression und große Verzweiflung aushalten“, erklärt Michalsky, die seit 2019 als zertifizierte Beratungslehrerin an dieser Schule ist. „Hinter den Klassenzimmertüren bleibt es oft unbemerkt, dass insbesondere psychische Belastungen bei Kindern und Jugendlichen immer mehr zunehmen. Ganz viele der Probleme, die unsere Schülerinnen und Schüler haben, sind nicht mehr nur auf einen Lebensbereich zu beschränken, die Schwierigkeiten zuhause gehen mittlerweile mit denen in der Schule Hand in Hand.“ „Schule ist Lebensraum. Dazu gehören eben auch Konflikte und alles, was einen emotional belastet“, bestätigt auch Weber. Sie bildet seit 2020 zusammen mit ihrer Kollegin das Beratungslehrerinnen-Team. Die Arbeit als Beratungslehrerinnen ist zentral für das Wohl der Schülerinnen und Schüler, aber auch eine Quelle von Herausforderungen und Belastungen – dies zeigt mir der Einblick in ihren Arbeitsalltag, den ich während meines Besuchs erhalte, sehr eindrucksvoll.

Bild: Viel mehr als nur ein „Kummerkasten“ – Lisa Michalsky (links) und
Anna Weber (rechts) sind ein starkes Team als Beratungslehrerinnen.


Eine Anlaufstelle für die Sorgen und Nöte der Schülerinnen und Schüler – das ist das kleine, aber sehr gemütlich gestaltete Beratungszimmer von Lisa Michalsky und Anna Weber, Beratungslehrerinnen am Adalbert-Stifter-Gymnasium in Castrop-Rauxel. Die Wände wurden erst vor kurzem in Eigenarbeit gestrichen, verschiedene Dekoelemente vermitteln eine behagliche Atmosphäre und visuelle Hinweise zu Anlaufstellen für weiterführende Hilfe zeigen auf, welche Themen hier auf den Tisch kommen. „Hier fangen wir die Kinder und Jugendlichen auf, müssen teilweise aber auch Wut, Hass, Aggression und große Verzweiflung aushalten“, erklärt Michalsky, die seit 2019 als zertifizierte Beratungslehrerin an dieser Schule ist. „Hinter den Klassenzimmertüren bleibt es oft unbemerkt, dass insbesondere psychische Belastungen bei Kindern und Jugendlichen immer mehr zunehmen. Ganz viele der Probleme, die unsere Schülerinnen und Schüler haben, sind nicht mehr nur auf einen Lebensbereich zu beschränken, die Schwierigkeiten zuhause gehen mittlerweile mit denen in der Schule Hand in Hand.“ „Schule ist Lebensraum. Dazu gehören eben auch Konflikte und alles, was einen emotional belastet“, bestätigt auch Weber. Sie bildet seit 2020 zusammen mit ihrer Kollegin das Beratungslehrerinnen-Team. Die Arbeit als Beratungslehrerinnen ist zentral für das Wohl der Schülerinnen und Schüler, aber auch eine Quelle von Herausforderungen und Belastungen – dies zeigt mir der Einblick in ihren Arbeitsalltag, den ich während meines Besuchs erhalte, sehr eindrucksvoll.

Zwischen Gesprächen und Organisation

Wie bei den meisten Lehrkräften ist auch der Morgen der Beratungslehrerinnen geprägt von organisatorischen Aufgaben – verschiedene Dinge müssen noch
vorbereitet und koordiniert werden. „Bei uns kann es schon einmal sein, dass nicht alles nach Plan läuft“, erklärt mir Anna Weber. „Gerade heute Morgen hatte ich die Situation, dass plötzlich eine Mutter mit ihrer Tochter vor der Tür stand und um Unterstützung gebeten hat. In solchen Fällen heißt es dann umdisponieren und die Schulleitung darüber informieren, dass mein Unterricht nicht pünktlich stattfinden kann bzw. wir das irgendwie auffangen müssen.“ Die Beratungslehrerinnen freuen sich über die große Unterstützung, die sie sowohl von der Schulleitung als auch den Kolleginnen und Kollegen erhalten, um eben bestmöglich agieren und Schülerinnen und Schüler mit besonderen Bedürfnissen oder Schwierigkeiten im Blick behalten zu können. „Wenn jedoch alles geballt kommt, ist das schon ein ziemlicher Stressfaktor. Eltern kommen oft unangemeldet, in der Pause werden wir angesprochen während wir gerade in unser Brötchen beißen … der Beratungsbedarf ist einfach hoch, wir machen viel on top zu der offenen Beratung, die wir immer donnerstags in der 5. Stunde anbieten“, verdeutlicht Michalsky. Ich bekomme eine Ahnung davon, dass der Spagat zwischen der Unterstützung der Schülerinnen und Schüler, der administrativen Arbeit, die oft in den Hintergrund tritt, jedoch unerlässlich ist, sowie ihrer Lehrtätigkeit eine der größten Herausforderungen ihrer Arbeit darstellt.

Ich frage, wie sie sich schützen und mit Stress und den hohen Anforderungen ihres Berufs umgehen. Beide bestätigen mir, dass insbesondere der Austausch untereinander von unschätzbarem Wert sei. Oft fänden auch noch Gespräche am Abend statt, in denen man bestimmte Fälle bespricht oder sich auch einfach mal gegenseitig das Herz ausschüttet. „Wir behandeln hier Thematiken von Depressionen, Schulabsentismus über Mobbing bis hin zu sexueller und/oder häuslicher Gewalt. Das nimmt man einfach mit nach Hause und es hilft sehr zu wissen, dass wir füreinander da sind“, sagt Michalsky. Insgesamt käme es bei ihrer Arbeit auf ein gut funktionierendes Netzwerk an. „Dreimal im Jahr finden Netzwerktreffen statt, die vom schulpsychologischen Dienst initiiert werden und in dessen Rahmen bestimmte Themen aufgegriffen werden“, berichtet Weber. „Dort sind dann Beratungslehrkräfte, Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter, aber auch eine Ärztin, die die Schuleingangsuntersuchungen macht.“ Darüber hinaus arbeiten die Beratungslehrerinnen eng mit dem Jugendamt zusammen. Schließlich tragen sie eine hohe Verantwortung und müssen Entscheidungen treffen, die eine hohe Tragweite haben können.

Dies kann schon einmal dazu führen, dass der Druck zu groß wird. In diesem Fall haben die Beratungslehrerinnen die Möglichkeit über den schulpsychologischen Dienst für sich selber Supervision zu beantragen. Diese erfolgt jedoch nicht präventiv, sondern ist immer an einen bestimmten Fall gebunden und begrenzt auf ein bis drei Sitzungen. Diesen Sitzungen geht zunächst ein Antrag voraus und es dauert seine Zeit, bis die Sitzungen beginnen können. „Aus diesem Grund habe ich für mich beschlossen, privat Supervision in Anspruch zu nehmen. Das Stresslevel ist einfach hoch – man muss schauen, dass man selbst in Balance bleibt, im Zweifel eben auch auf eigene Kosten“, sagt Michalsky. Beiden helfe außerdem bei der Bewältigung von Stress einfach die Ruhe und raus in die Natur zu gehen.

Lisa Michalsky hat den Beratungslehrerzertifikatskurs, der von der Bezirksregierung angeboten wird und verschiedene Themenschwerpunkte abdeckt, absolviert. Punktuell zu bestimmten Themen hat sie extra Fortbildungen gemacht, auch häufig über den schulpsychologischen Dienst. Darüber hinaus hat sie in privater Initiative die sexualpädagogische Ausbildung abgeschlossen und befindet sich noch in der psychoanalytisch ausgerichteten Supervisionsausbildung,
die ihr sehr viel bringe für die praktische Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen, den Eltern sowie den Kolleginnen und Kollegen.

Anna Weber hat die Streitschlichterausbildung absolviert sowie die Koordinatorenqualifikation im Konfliktmanagement. Sie hat ebenfalls im Verlauf der Jahre verschiedene extra Fortbildungen zu bestimmten Themenbereichen gemacht. „Wir haben verschiedene Schwerpunkte, ich habe durch meine langjährige Erfahrung Handwerkszeug, wenn es um Streitschlichtung oder Mobbing geht, da führe ich z. B. den No Blame Approach durch. Lisas Schwerpunkt liegt eher auf den psychoanalytischen Dingen, sodass wir gemeinsam eine große Bandbreite abdecken können“, so Weber.

Das Beratungsgespräch

Ich erfahre, dass das Angebot in erster Linie von den Schülerinnen und Schülern genutzt wird. Zu Anna Weber kommen die Kinder und Jugendlichen häufig
durch Situationen, die sich in den Pausen ergeben, manchmal erfolgt auch eine Vermittlung über die Klassenlehrerinnen und Klassenlehrer oder die Kinder
und Jugendlichen werden von der Beratungslehrerin direkt angesprochen. Lisa Michalsky schreiben die Kinder in der Regel über den Einzelchat bei Teams an,
Beratungsbedarf wird angemeldet und es wird nach einem Termin geschaut. Die Gespräche werden dann im geschützten Raum vertraulich durchgeführt, zunächst erzählt die Schülerin oder der Schüler, dann werden Nachfragen gestellt, manchmal ahnen die Beratungslehrerinnen im einfühlsamen Gespräch schon,
dass es sich um einen Themenbereich handelt, der nicht vertraulich bleiben darf, beispielsweise bei Fremd- oder Selbstverletzung. In diesem Fall müssen die Kinder und Jugendlichen bereits im Gespräch darauf hingewiesen werden, denn es darf in keinem Fall der Eindruck entstehen, dass ihr Vertrauen missbraucht wird. Bei Unsicherheiten haben die Beratungslehrerinnen die Möglichkeit, sich beim Jugendamt anonym beraten zu lassen. Hat eine Einordnung der Situation stattgefunden – handelt es sich beispielsweise um Ängste, Sorgen und Schwierigkeiten, die im Klassenkontext oder Elternhaus verankert sind – wird entschieden, wie dem begegnet werden kann. Es werden Vereinbarungen, soweit möglich, mit dem Kind gemeinsam getroffen, Lösungen für die Praxis überlegt und nach einem bestimmten Zeitraum reflektiert, was gut gelaufen ist und was nicht.

Ich habe die Möglichkeit, mit Schülerinnen des Gymnasiums zu sprechen, die zum Teil das Beratungsangebot bereits in Anspruch genommen haben. Ihre Erzählungen zeigen mir, wie wichtig es ist, dass Schülerinnen und Schüler jemanden haben, der ihnen zuhört und ihnen hilft, Lösungen zu finden. Doch es zeigt auch die emotionale Belastung, die diese Arbeit mit sich bringt. Die Beratungslehrerin muss stets die richtige Balance zwischen Empathie und professioneller Distanz finden.

„Wir finden es sehr gut, dass wir dieses Angebot an unserer Schule haben“, betonen die Schülerinnen. „Wir finden es auch gut, dass sie uns niemals verurteilen und uns immer ernst nehmen. Manchmal hilft es auch einfach, mit jemandem im geschützten Raum über seine Probleme zu sprechen.”

Die emotionale und mentale Belastung ist hoch, doch es gibt auch viele Momente, in denen die Erfolge sichtbar werden. „Wir bekommen teilweise richtige Liebesbriefe von den Kindern und Jugendlichen, in denen sie sich bedanken, ebenso die Eltern zeigen uns ihre Dankbarkeit, wenn wir ihnen z. B. dabei helfen konnten, wieder Zugang zu ihrem Kind zu finden. Das ist das, was uns motiviert, wofür wir das hier machen“, freut sich das Beratungsteam.

Zeit ist ein wichtiger Faktor

Wenn Sie Wünsche formulieren könnten für Ihre Arbeit hier an der Schule, welche wären das, frage ich. „Mehr Zeit“, kommt es wie aus der Pistole geschossen. „Mehr Zeit für Beratungsstunden, aber auch einen Tag in der Woche, an dem wir alles Formale erledigen können, und Unterstützung durch Schulsozialarbeiter.“ Der Bedarf für mehr feste Beratungstage sei ganz klar vorhanden, dies weiß auch der Schulleiter Joachim Höck. „Die Arbeit der Beratungslehrerinnen an unserer Schule ist von zentraler Bedeutung für das Wohl der Schülerinnen und Schüler. Sie spielen eine entscheidende Rolle dabei, Krisen zu bewältigen und Perspektiven zu eröffnen. Natürlich ist das auch mit großen Herausforderungen und Belastungen verbunden. Deswegen gebe ich ihnen die Freiräume und Unterstützung, die ich ihnen geben kann. Ich hoffe, dass wir hier in Zukunft noch mehr Möglichkeiten haben werden.“

Ich bedanke mich für die zahlreichen Informationen und den Einblick, den ich in den anspruchsvollen Arbeitsalltag der Beratungslehrerinnen erhalten durfte.

Eine Reportage von Melanie Kieslinger,
Pressereferentin VBE NRW.




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