In der heutigen Schullandschaft spielt die Didaktische Leitung eine entscheidende Rolle bei der Weiterentwicklung von Lehr- und Lernprozessen. Als Bindeglied zwischen der Schulleitung, dem Kollegium und den Schülerinnen und Schülern übernimmt die Didaktische Leitung vielfältige Aufgaben, die sowohl organisatorische als auch pädagogische Bereiche umfassen. In unserem Interview gibt uns Timo Marquardt, ein erfahrener Didaktischer Leiter, Einblicke in seine täglichen Aufgaben, die Herausforderungen in der Zusammenarbeit mit dem Kollegium und die strategischen Entscheidungen zur Schulentwicklung. Darüber hinaus teilt er seine Gedanken zu den aktuellen Entwicklungen im Schulsystem und den Ressourcen, die benötigt werden, um die Arbeit in dieser Schlüsselposition noch effektiver zu gestalten.
Können Sie uns eine kurze Übersicht über Ihre Hauptaufgaben als Didaktischer Leiter geben? Wie sieht ein typischer Arbeitstag bei Ihnen aus?
Meine Hauptaufgaben als Didaktischer Leiter umfassen zunächst einmal gemäß der BASS die Koordination von Projekten, Konferenzen und Fortbildungstagen sowie die Betreuung von Aktionen wie zum Beispiel dem Tag der offenen Tür. Ich unterstütze Ganztagskonzepte, organisiere Lernzeiten sowie AGs und begleite verschiedene schulische Programme. Darüber hinaus manage ich Fachund Unterrichtsentwicklungen und bin aktiv in der Netzwerkarbeit der Schule eingebunden. Auch die Bereitstellung von Lehr- und Lernmitteln sowie die Beratung des Kollegiums und der Schulleitung gehören zu meinen Aufgaben. Das ist es einmal grob zusammengefasst. Im Prinzip ist es aber so, dass keiner so genau weiß, was eine Didaktische Leitung eigentlich konkret macht. Es gibt keine genaue Arbeitsplatzbeschreibung, an unserer Schule bin ich der Mann sowohl fürs Grobe als auch fürs Feine. Eine Didaktische Leitung macht eigentlich all das, was man nicht so greifen kann oder zunächst nicht zuordnen kann. Und das ist die große Schwierigkeit, man kann viel draus machen, aber man muss sich erst einmal sein eigenes System aufbauen und sich die Flexibilität zunutze machen.
Wie sieht ein typischer Arbeitstag bei Ihnen aus?
Mein Arbeitstag beginnt gegen 6:30–6:45 Uhr, gefolgt von einem kurzen Austausch mit dem Sekretariat, Lehrkräften und der Schulleitung. Anschließend plane ich den Tag und priorisiere zwischen langfristigen Projekten und kurzfristigen Aufgaben. Der Tag besteht aus E-Mails, Telefonaten, Unterrichtsbesuchen, Besprechungen und Terminen außerhalb der Schule (s. auch: „Ein Tag im Leben der Didaktischen Leitung“ auf www.vddl-nrw.de).
Welche Rolle spielen Sie in der Weiterentwicklung des Schulcurriculums und der Unterrichtsqualität? Warum sollte jede Schule eine Didaktische Leitung haben?
Die Didaktische Leitung ist im Schulalltag oft eine Allzweckwaffe, jemand der oft einspringt, der ad hoc übernimmt. Die Didaktische Leitung greift im Hintergrund ganz viel zusammen – das ist auch meine Stärke: Inhalte und Personen zusammenführen. Ich sehe in der Regel immer, wo Bedarfe sind, analysiere und schaue, wie ich überzeugen kann ohne zu überreden. Die Schulleiterin oder der Schulleiter sind quasi das Sprachrohr, sie bringen das, was wir im Inneren gemeinsam regeln, nach außen. Wir entlasten uns gegenseitig in den jeweiligen Aufgaben und schenken uns dadurch wertvolle Zeit. Ich möchte mit meiner Arbeit begeistern, motivieren und Impulse entwickeln. An der Überarbeitung des Schulprogramms arbeite ich kontinuierlich. Neue Impulse gebe ich über Fachkonferenzen weiter und führe Fachentwicklungsgespräche. Zudem organisiere ich Hospitationen und Unterrichtsbesuche, begleite die Lehrplanarbeit und stehe in engem Kontakt mit dem Ministerium und der Schulaufsicht.
Wie arbeiten Sie mit den Fachbereichen und Lehrkräften zusammen, um die Unterrichtsqualität zu sichern und zu verbessern?
Durch „Walking and Talking around“ zeige ich Wertschätzung und bin im ständigen Austausch mit den Lehrkräften. Schnelle Rückmeldungen, regelmäßige Statusupdates und Fachentwicklungsgespräche sind entscheidend. Einfach mal zwischendurch zusammen zu lachen, kann meiner Erfahrung nach Wunder bewirken und Stress reduzieren – zudem ist eine gute Vertrauensbasis extrem wichtig. Widerstände versuche ich durch positive Motivation und den sogenannten „Benjamin-Franklin-Effekt“ zu überwinden. Ich genieße große Freiheiten, da ich keine Noten vergeben oder Gutachten schreiben muss. Dies erlaubt mir ein engeres Verhältnis zum Kollegium. Zudem bin ich in vielen Bereichen der Schule involviert und kann durch gezieltes Zuhören und Beobachten dazu beitragen, das Arbeitsumfeld zu verbessern, z. B. durch gesundheitsfördernde Maßnahmen.
Welche Herausforderungen begegnen Ihnen in der Zusammenarbeit mit dem Kollegium und dem Schulleitungs-Team, insbesondere in Bezug auf die Umsetzung didaktischer Neuerungen, strategische Entscheidungen und die schulische Weiterentwicklung?
Die Herausforderungen liegen in der Überlastung des Kollegiums, der ständigen Erreichbarkeit durch Digitalisierung und der steigenden Zahl von Problemen, die Schüler mit in die Schule bringen. Neuerungen werden oft als zusätzlicher Aufwand wahrgenommen. Daher ist es wichtig, klar zu zeigen, wie diese Neuerungen die Arbeit erleichtern oder den Schülern helfen. Mir ist es ein Anliegen zu schauen, was ihnen Kraft gibt. In der Zusammenarbeit mit der Schulleitung ist Fingerspitzengefühl entscheidend. Ich führe oft „Tür und Angelgespräche“, um Vertrauen und offene Kommunikation zu fördern. Als flexible Unterstützung der Schulleitung übernehme ich viele eigenverantwortliche Aufgaben, besonders angesichts der erhöhten Arbeitsbelastung durch digitale Prozesse. Da, wo Menschen aufeinandertreffen und zusammenarbeiten, gibt es natürlich auch Konflikte. Das Geheimnis ist, nicht nur die Menschen, sondern auch alle Arbeitsabläufe genau zu kennen. Das kann aber nur gelingen, wenn man eine gewisse Zeit im Amt der Didaktischen Leitung arbeitet. Ein bis zwei Jahre reichen hierfür nicht aus.
Welche Unterstützung oder Ressourcen würden Sie sich wünschen, um Ihre Aufgaben noch effektiver umsetzen zu können?
Ich wünsche mir eine stärkere Konkretisierung der Aufgaben der Didaktischen Leitung im Geschäftsverteilungsplan sowie mehr Austauschtermine für Personen in dieser Rolle. Auch eine gezielte Fortbildungsreihe für Didaktische Leitungen wäre hilfreich. Das alles würde dazu führen, dass die Leute länger „bei der Stange bleiben“. Für die Arbeit der Didaktischen Leitungen gibt es sehr wenig konkrete Materialien und Vorlagen, es wäre sehr hilfreich, gewisse Eckpfeiler zu setzen für Didaktische Leitungen und solche, die es werden wollen: Was sind meine Werkzeuge, welche Aufgaben habe ich, wie kann es gelingen, schwammiges greifbarer zu machen. Jede neue Aufgabe erfordert bisher die Entwicklung eigener Systeme und Ideen
Timo Marquardt ist Teil der Schulleitung an der Gesamtschule Osterfeld in Oberhausen und Vorsitzender der Vereinigung der Didaktischen Leitungen NRW (VDDL NRW.